Übermäßiger RTL-Konsum: Normalo-Trash und Promi-Trash
Nach einer Woche vor dem Fernseher ist eine Privatfernsehanalyse anhand von RTL zwingend. Gerade wenn Primadonna und Schumi die Journalismusattrappe bedienen.
BERLIN taz | Wie finden Sie raus, ob Sie in letzter Zeit zu viel RTL geguckt haben? Ganz klar: Bei "Primadonna" denken Sie als Erstes an einen Jack-Russell-Terrier, der mit seinem Herrchen Seilchen springt, zwischen dessen Beinen Slalom läuft und sich neben ihm verbeugt. Die Zuschauer kürten Primadonna zum "Supertalent", Dieter Bohlen wunderte sich, die Zweitplatzierte gab sich abgeklärt - und RTL füllte so die nachrichtenarme Weihnachtszeit. Und weil das Filmmaterial rar war, zeigten sie dieselben Bilder wieder und immer wieder.
Es fällt schwer zu sagen, in welchem Magazinformat des Kölner Senders Primadonna nicht Slalom lief, weil es beinahe unmöglich ist, sie überhaupt voneinander zu unterscheiden. Selbst zwischen dem ursprünglich als Normalotrash konzipierten "Explosiv" und dem Promitrash "Exclusiv" gelingt die Unterscheidung nicht mehr, weil RTL in den letzten Jahren alles dafür getan hat, diese Grenzen einzureißen. Früher übertrug das Fernsehen Adelshochzeiten, heute auch die von Bauern.
Das Ausmaß von Redundanzverdummung und Verabschiedung von Journalismus, der diesen Namen verdient, wird einem so richtig erst bewusst, wenn der einzige deutsche Sender im Hotel RTL ist und man daher im Weihnachtsurlaub mehr guckt, als einem guttut. Klar, man könnte es auch lassen - genauso wie man an den Feiertagen nur Rohkost knabbern könnte.
Auch als wider Erwarten doch noch was passierte, fand RTL den Journalismusmodus nicht und widmete dem "sensationellen Comeback" von Michael Schumacher fast eine komplette "RTL aktuell"-Sendung, klemmte nur pflichtschuldig irgendwas mit Angela Merkel zwischen einen Jubelbeitrag und ein Interview mit Schumacher, in dem der Moderator ihn penetrant mit Vornamen anredete. Dass große Teile des Beitrags im "Nachtjournal" recycelt wurden, versteht sich bei diesem Journalismusverständnis von selbst. Und RTL gilt ja noch als der seriöseste Privatsender. Die vielkritisierten Nachrichten von N24 sind also nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Misere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung