Übergriffiger Fußballfunktionär bei WM: Der Präsident greift zu
Nach dem WM-Finale drängt Spaniens Verbandsboss Luis Rubiales der Spielerin Jenni Hermoso einen Lippenkuss auf. Die Empörung über den Übergriff ist groß.
Wenn Sportlerinnen einen großen Titel gewonnen haben, etwa die Weltmeisterschaft, müssen sie sich zum Defilee einfinden, Hände schütteln, Umarmungen und Küsschen akzeptieren und eine Medaille entgegennehmen.
Bei Jenni Hermoso, die am Sonntag mit Spanien Fußballweltmeisterin wurde, lief das Ganze so ab: Zunächst wurde die Angreiferin vom Präsidenten des spanischen Fußballverbandes, Luis Rubiales, umarmt und bekam Küsschen auf die Wange, dann hielt Rubiales mit beiden Händen ihren Kopf fest und drückte der verblüfften Spielerin einen Kuss auf die Lippen.
In einem Video, das die WM-Feier des Teams in der Kabine zeigt, also nach der Pokal- und Medaillenübergabe, wird Hermoso auf den Vorfall angesprochen. „Das hat mir nicht gefallen“, sagt sie einmal, ein anderes Mal fragt sie zurück: „Was hätte ich denn tun sollen?“
Später ging Luis Rubiales zur Feier der Mannschaft in die Kabine und versprach dem gesamten Team einen Urlaub auf Ibiza. Dort, so der Verbandspräsident, „feiern wir dann die Hochzeit von Jenni und Luis Rubiales.“
Luis Rubiales
Die Empörung ob Rubiales’ Übergriff ist groß. Irene Montero, Spaniens Gleichstellungsministerin, spricht von „einer Form der sexuellen Gewalt“. Die Zeitung El País schreibt, solche Gesten seien im Jahr 2023 „nicht zu rechtfertigen“. Mit Blick auf die Konflikte, die Spaniens Spielerinnen mit dem Nationaltrainer Jorge Vilda hatten – 15 der besten Spielerinnen traten in Streik, der Verbandspräsident Rubiales stützte ihn –, fordert nun die deutsche Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme das gesamte WM-Team zum „kollektiven Rücktritt“ auf und sprach von „psychischem Machtmissbrauch“.
Verband verschickt Erklärung der Spielerin
Der spanische Fußballverband antwortete, indem er eine schriftliche Stellungnahme der Spielerin Jenni Hermoso an eine Nachrichtenagentur gab. „Der Präsident und ich haben ein sehr gutes Verhältnis zu einander, sein Verhalten uns gegenüber war hervorragend, und es war eine natürliche Geste der Zuneigung und Dankbarkeit.“ Den Lippenkuss nannte sie in dieser schriftlichen Erklärung „eine völlig spontane gegenseitige Geste“.
Luis Rubiales äußerte sich nicht schriftlich, sondern polterte in Interviews los. „Lasst uns aus diesen Idioten und dummen Leuten keine große Sache machen“, sagte er. „Wir sind nicht in der Stimmung für Bullshit. Ich, mit allem, was ich durchgemacht habe, noch mehr Arschlöcher, nein …“ Rubiales nimmt offenbar Bezug auf den Streik der 15 Spielerinnen, von denen zur WM nur drei ins Team zurückgekehrt sind.
In einem anderen Interview sagte Rubiales: „Wir haben sehr hart gearbeitet, und einige Leute wollten uns nicht arbeiten lassen.“ Es gebe einen „kleinen Prozentsatz an Leuten mit Vorurteilen“, doch die müssten noch lernen, dass man Menschen wie ihn einfach arbeiten lassen müsse.
Neu sind Affären um Luis Rubiales nicht. Laut Bild-Zeitung soll er 2020 auf eine Privatparty Frauen eingeladen und später versucht haben, die Kosten beim Fußballverband abzurechnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?