Überfall auf Theaterstück in Wien: Neonazis auf der Bühne
Geflüchtete führen ein Jelinek-Stück an der Uni Wien auf. Rechtsradikale stürmten am Donnerstag eine Vorstellung. Es gab Verletzte.
Auf der Bühne wurde auf Einladung der HochschülerInnenschaft (ÖH) das Flüchtlingsstück „Die Schutzbefohlenen“ von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek aufgeführt. Der Eintritt war frei, das Audimax dank massiver Werbung über die sozialen Medien mit rund 700 Zuschauern prall gefüllt. Als Schauspieler traten Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan und dem Irak auf, Menschen, die vergangenes Jahr erst ins Land gekommen waren.
Die rabiaten Störenfriede drangen wenige Minuten nach dem verspäteten Beginn der Vorstellung ein, entrollten Transparente und die schwarzgelbe Fahne der „Identitären Bewegung“. Diese Vereinigung, die vom Verfassungsschutz als „rassistisch/nationalistisch geprägt“ und dem Neonazismus nahestehend eingestuft wird, richtet sich vor allem gegen Asylsuchende. „Multikulti tötet“, warnten die Flugblätter.
„Das waren richtige Schlägertypen“, schildert die Regisseurin Tina Leisch, die das Dreistundendrama stark abgespeckt hat, um es für die Zielgruppe zuzuschneiden. Die Männer seien mit Megaphonen ausgestattet gewesen und hätten Flüchtlinge auf der Bühne und in der ersten Reihe tätlich angegriffen. Das Publikum selbst habe die Neonazis aber schnell wieder hinausgedrängt. Tina Leisch: „Es war ein kurzer Spuk“.
Nicht einschüchtern lassen
Während die kriegsvertriebenen Schauspieler noch unter Schock standen, trafen elf Funkstreifen der Wiener Polizei und der Sondereinheit WEGA ein. Da die Aggressoren schon weg waren, versuchten sie mittels Zeugenbefragungen die Ereignisse zu protokollieren. Einige leicht Verletzte wurden ins Krankenhaus gebracht.
Hinter der Bühne wurde diskutiert, ob man die Vorstellung fortsetzen solle, was mit dem Argument „Wir lassen uns nicht einschüchtern“ schließlich positiv entschieden wurde. Das Publikum honorierte das mit standing ovations.
Die Idee, das Flüchtlingsstück mit Flüchtlingen zur Aufführung zu bringen, sei vergangenen Sommer vor dem Erstaufnahmelager Traiskirchen geboren worden, sagt die Filmemacherin und Regisseurin Leisch. Die Asylsuchenden hätten nach einer Möglichkeit gesucht, sich einzubringen und gegen die unhaltbaren Zustände im überfüllten Lager zu protestieren.
Seit der Uraufführung der mit dem Nestroypreis ausgezeichneten Inszenierung im September ist das Stück zwei- bis dreimal im Monat aufgeführt worden, vor allem in Schulen. Nach einer Stunde Schauspiel wird das Publikum in einer moderierten Diskussion zum Mitreden eingeladen. Dabei hätten sich schon zahlreiche „Paten“ gemeldet, die Flüchtlinge bei Amtswegen begleiten, auf Ausflüge mitnehmen oder in Deutsch unterrichten. Zuletzt hat die Kulturabteilung der Stadt Wien mit einer symbolischen Subvention von 5.000 Euro ihre Unterstützung signalisiert.
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