piwik no script img

Über den Trockenstress wilder TierchenEichhörnchen fallen nur manch­mal vom Baum

Dehydrierte Eichhörnchen fallen vom Baum – das sind Einzelfälle, sagt Dirk Ehlert, der Wildtierexperte des Senats. Dennoch ist Trockenheit gefährlich.

Hier fallen keine Eichhörnchen vom Baum, ganz im Gegenteil: die beiden geht es scheinbar gut Foto: picture alliance/dpa/Soeren Stache

Berlin taz | Donnerstagmorgen sind es insgesamt fünf. Sie turnen an Baumstämmen oder suchen irgendetwas im Gras oder zwischen den Gräbern – alle quietschfidel. Keins wirkte dehydriert oder orientierungslos oder fiel gar vom Baum. Dabei hat das die Hauptstadtpresse von Tagesspiegel („Eichhörnchen fallen von Bäumen wegen Trockenheit“) bis Kurier („Kraftlos-Eichhörnchen stürzen von Berlins Bäumen“) dieser Tage behauptet.

Von all dem war auf meinem Lieblingsfriedhof mit dem schönen Namen Georgen-Parochial II., gegenüber des Krankenhauses Friedrichshain, nichts zu sehen. Ich kenne den Friedhof seit 30 Jahren wie meine Westentasche. Niemals hatte ich in dieser Zeit gesehen, dass eins der Eichhörnchen aus einem der gut gefüllten Brunnen an den zahlreichen Wasserentnahmestellen trinkt, wie Vögel das ja gerne tun. Doch vor ein paar Tagen war es so weit. Ungewöhnlich, dachte ich, da muss die Not wohl groß sein. Und man sieht es ja überall: Was nicht gegossen wird, ist pupstrocken. Die Vegetation leidet. Und mit ihr die Tiere.

Aber fallen Eichhörnchen tatsächlich von den Bäumen? Gut, dass es in Berlin den Wildtierexperten des Senats gibt. Derk Ehlert bestätigt zunächst die Meldungen. „Das passiert nicht zum ersten Mal“, sagt er und gibt zugleich Entwarnung: „Dass dehydrierte Eichhörnchen vom Baum fallen, sind Einzelfälle.“

In der Regel sei es ja so, dass es in der Stadt lebenden Eichhörnchen besser geht als denen in der freien Wildbahn außerhalb der Stadt. Das liege daran, dass in Berlin von Menschenhand gefüttert wird, die Lebensräume vielfältiger sind, und gerade in Parks und noch mehr in den oft weitläufigen Friedhöfen, wo die meisten Eichhörnchen zu finden sind, ein Zugang zum Wasser gewährleistet ist.

So trocken wie in der Steppe

„Es ist nach wie vor dramatisch trocken, auch wenn es gerade etwas geregnet hat“, sagt Ehlert. Dabei ist der Frühling eine Zeit, in der die Bäume treiben, sehr viel Kraft brauchen und Wasser aus dem Boden ziehen müssen. Ehlert hat Zahlen parat, die das Problem verdeutlichen: „Berlin ist mit nur 560 Millimeter Niederschlag im Jahr ohnehin nicht reich mit Regen gesegnet“, sagt der Wildtierexperte. Zum Vergleich: „380–400 Millimeter pro Jahr Niederschlag sind typisch für die Steppe.“

Derzeit haben die Eichhörnchen Jungtiere. Die würden sicher auch genug Muttermilch bekommen, glaubt Ehlert, „doch in Einzelfällen kann es sein, dass die Jungtiere dehydrieren und sich dann merkwürdig verhalten“. Dies komme auch bei anderen Wildtieren, zum Beispiel Igeln, vor. „Der Bestand bricht deshalb nicht zusammen“, gibt der Wildtierexperte Entwarnung.

In der Regel finden Eichhörnchen genug Wasser in ihrer Nahrung, es sind ja keine reinen Vegetarier, sie nehmen durchaus proteinhaltige, tierische Nahrung zu sich, und da ist eben auch Wasser drin. „Wenn es aber sehr trocken ist, sich die Bodenorganismen in den tieferen Bodenschichten zurückgezogen haben, kommen Eichhörnchen – so wie Igel – nicht an genügend Nahrung heran.“

Das Problem könnte sich in den nächsten Jahren verschärfen, wenn die Temperaturen immer früher immer höher schnellen, und die Eichhörnchen ihre Jungen haben. Hinzu kommt, sagt Ehlert, wie so oft der Faktor Mensch. Denn der stört Eichhörnchen oft auf ihren Wegen in den Parks, sodass es vorkommen kann, dass Elterntiere nicht zu ihren Jungen zurückkommen und diese dehydrieren.

Was kann Mensch tun? Wasserschalen aufstellen? „Ja“, sagt Derk Ehlert, „so gesehen hilft es, wenn da eine Wasserschale steht. Das ist aber kein Allheilmittel. Nur weil man eine Wasserschale hinstellt, wird die Welt nicht gut.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!