Über Populismus philosophieren: Die Denkfigur des „Pappkameraden“
Handreichung gegen Hetze und Häme: In „Logik für Demokraten“ versteht Daniel-Pascal Zorn Populismus als Argumentationsform.
Trump, Erdoğan, die AfD – wer dieser Tage nach Beispielen für populistische Verlautbarungen sucht, muss nur flüchtig den Nachrichten folgen. Die Politik dreht mehr und mehr die Lautstärke auf und wird im Tonfall schriller.
Auch gemäßigte Politiker neigen zu populistischen Statements. Und selbst Redaktionen tragen zu dieser Entwicklung bei, so der Philosoph Daniel-Pascal Zorn: „Sie multiplizieren und legitimieren Formen der Argumentation, die die Lagerbildung zum Normalfall des öffentlichen Diskurses werden lassen.“
Als Gegenmaßnahme hat Zorn das Buch „Logik für Demokraten“ vorgelegt. Eine „Anleitung“, die nicht Stellung beziehen, sondern den politischen „Kampfplatz“ selbst betrachten will, ihn mit den Mitteln der Logik erkunden. Zorn, der im Philosophie-Magazin Hohe Luft die Kolumne „Na logisch!“ schreibt, geht es nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit populistischen Positionen, er widmet sich allein den Argumenten und Argumentationsformen des „populistischen Denkens“.
Gemäß dem griffigen Diktum „Vernunft verteidigt sich selbst – und Unvernunft schlägt sich selbst“ verfolgt Zorn das Projekt, populistische Positionen als solche erst einmal ernst zu nehmen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen – um dann die Widersprüche dieser Formen des Denkens nachzuweisen. Dabei erinnert er an einige Selbstverständlichkeiten, die man im politischen Tagesgeschäft schon mal vergessen kann.
Populismus als Form des Argumentierens
So klingt die Einsicht „Nur weil eine Rede vorgebracht wird, gilt sie nicht deswegen schon“ wie eine Plattitüde, ihre Missachtung gehört aber zu den elementaren Vorgehensweisen von Populisten – die Gültigkeit von etwas zu beanspruchen, einfach indem man es sagt. In der Logik nennt man dieses unzulässige Aufstellen sich selbst voraussetzender Behauptungen eine petitio principii. Variationen dieser „dogmatischen Setzung“ bilden den Grundstock populistischen Argumentierens.
Zorn nennt seine Herangehensweise eine „argumentationslogische Beschreibung“ des populistischen Denkens. So versteht er den Populismus auch „nicht als Ideologie, sondern als eine Form des Argumentierens. Und diese Form kann jeder in Anspruch nehmen, nicht nur die Anhänger dieser oder jener Weltanschauung.“
Zorns formaler Ansatz hat damit einen klaren Vorteil: Seine Darstellung, die sich an Demokraten wendet, aber auch an solche, „die sich von der Demokratie abgewandt haben“, dient nicht bloß dazu, die „anderen“ des politischen Diskurses mit argumentativer Analyse als Gegner der Demokratie zu identifizieren, sondern kann auf alle Teilnehmer des öffentlichen Diskurses angewendet werden. Selbst erklärte Demokraten sind nicht davor gefeit, bewusst oder unbewusst in populistische Denkfiguren zu verfallen.
Hier ist Zorns Darstellung verschiedener Fehlschlussformen besonders interessant: Denn wichtiger, als etwa Trump nachzuweisen, wo er sich gerade wieder selbst widersprochen hat, ein Verfahren, dass, wie auch Zorn zugesteht, Populisten in ihrer Haltung im Zweifel nicht sonderlich erschüttert, ist es, mögliche eigene unhaltbare Positionen zu erkennen, um diese gegebenenfalls korrigieren zu können.
„Entweder seid ihr für mich oder gegen mich“
Zorn führt eine Reihe von Redefiguren an, die in populistischen Argumenten regelmäßig wiederkehren. Allen voran das „Falsche Dilemma“: „Entweder seid ihr für mich oder gegen mich“, für Zorn die Grundstruktur populistischen Denkens schlechthin.
Auch die Verbindungen zum „totalitären Denken“ zeigt Zorn auf, wobei man einwenden kann, dass seine Einschätzung „Populistisches Denken drängt stets zum Totalitären“ sich in ihrer verallgemeinerten Zuspitzung selbst dem Vorwurf aussetzt, eine dogmatische Setzung zu sein.
Daniel-Pascal Zorn: „Logik für Demokraten. Eine Anleitung“. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017, 314 Seiten, 20 Euro
Eine gern von Zorn angeführte Denkfigur ist die des „Pappkameraden“, der „Versuch, das gegebene Argument des Gesprächspartners durch das eigene Verständnis, die eigene Interpretation oder die eigene Unterstellung zu ersetzen“.
In Zorns eigener Argumentation lässt sich sogar diese Figur wiederfinden, wenn er zum Beispiel über die Erzählstrategien im „Kinosaal“ schreibt: „Während wir uns in der wirklichen Welt treiben lassen von den Medien, dem Internet, den Meinungen der anderen, wird uns auf der Leinwand immer wieder dieselbe alte Geschichte erzählt. Ein Bösewicht will die ganze Welt erobern oder zerstören.“ Zorn verschweigt hier allemal, dass das Kino sehr wohl eine Reihe völlig anderer Geschichten kennt.
Das ist das Gute an Zorns Buch: Man kann es stets auf sich selbst anwenden.
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