USA heben Sanktionen gegen Damaskus auf: Eine Chance für Syrien
Trump gewährt Interimspräsident al-Scharaa einen Vertrauensvorschuss. Das Ende der Sanktionen ist ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung Syriens.

S ie hingen Syrien wie ein schwerer Mühlstein am Hals. Jetzt hat US-Präsident Donald Trump endlich die meisten Sanktionen aufgehoben, die einst gegen den inzwischen gestürzten Diktator Baschar al-Assad verhängt worden waren. Es ist ein Vertrauensvotum in Präsident Ahmed al-Scharaa. Dass es sechs Monate gedauert hat, liegt wohl darin, dass es mit dem Vertrauen zunächst nicht so weit her war.
Al-Scharaa und seine Leute, die die wichtigen Positionen in Regierung und Sicherheitsapparat besetzen, kommen allesamt aus der Al-Nusra-Front, die einst al-Qaida nahestand, von der sich al-Scharaa wiederum später distanzierte. Er verfolge stattdessen eine nationalistische Befreiungsagenda für Syrien, die am Ende von Erfolg gekrönt war. Jetzt verwaltet er ein Syrien voller Hoffnungen, aber auch großer Sorge. Massaker an der alawitischen Bevölkerung, denen die Assads angehören, machen Angst.
Außergerichtlich wurden da alte Rechnungen beglichen. Hoffnung macht, dass al-Scharaa gebetsmühlenartig wiederholt, alle Syrier und Syrierinnen mit an Bord nehmen zu wollen, in einem offenen Land, das er nicht strengen islamistischen Vorstellungen unterwerfen will. Er steckt in einem Dilemma. Nach außen muss er beweisen, dass er es mit seinem „All-inclusive-Syrien“ ernst meint, gleichzeitig muss er aber seine eigene islamistische Klientel bedienen, die ihn an die Macht brachte.
Die Syrer selbst sind aller gewaltsamen Auseinandersetzungen müde. Viele, die aus dem Land geflüchtet sind, wollen zurück. Die Aufhebung der Sanktionen ist Voraussetzung für den Wiederaufbau der Infrastruktur und einen besseren Lebensstandard. 90 Prozent der Menschen lebten zu Assads Zeiten unter der Armutsgrenze. Wer in einem neuen Syrien besser lebt, möchte dieses Projekt nicht gefährden.

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Die Aufhebung der US-Sanktionen ist ein Vorschuss. Jetzt muss man sehen, ob sich Syrien damit tatsächlich stabilisieren lässt. Den über Jahrzehnte geschundenen Menschen wäre das mehr als zu wünschen.
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