piwik no script img

US-Wissenschaftler Ayers über Obama"Links war er nie"

Als Obamas Terror-Freund wollten die Republikaner Bill Ayers im Wahlkampf vorführen. Die Kampagne blieb ohne Erfolg. Im taz-Interview freut sich Ayers über Obamas Sieg.

Die Vorbereitungen für Obamas Amtseinführung laufen auf Hochtouren. Bild: dpa
Interview von Adrienne Woltersdorf

taz: Herr Ayers, mancher US-Linker mag Sie nicht besonders. Man nennt Sie einen Terorristen und ihre militanten Aktionen im Weather-Underground lächerlich. Was sagt das über die US-Linke?

Bild: ap
Im Interview: 

Bill Ayers, 64, stand während des US-Wahlkampfs im Mittelpunkt einer Schmutzkampagne gegen Barack Obama. Die Republikaner warfen Obama vor, mit Terroristen befreundet zu sein - und meinten damit William ("Bill") Ayers. Im Vorwahlkampf hatte bereits Hillary Clinton versucht, Obama wegen seiner Kontakte mit Ayers zu diskreditieren. Ayers war in den 60er-Jahren Vietnamkriegsgegner und Mitgründer der militanten Untergrundorganisation Weathermen, die mehrere Anschläge auf Regierungsgebäude verübte. Heute ist Ayers ein angesehener Professor für Erziehungswissenschaft an der University of Illinois in Chicago. Obama und Ayers trafen sich erstmals Mitte der 90er-Jahre und hatten danach sporadisch Kontakt. Sie leben im gleichen Stadtviertel und engagierten sich vor rund sieben Jahren für dieselbe Wohltätigkeitsorganisation.

Obama kommt

Für die Vereidigungsfeierlichkeiten für Barack Obama gibt das Komitee 40 Millionen US-Dollar aus; 432 Mitarbeiter entscheiden wofür, und 15.000 Freiwillige helfen dabei. Erwartet werden am Dienstag bis zu drei Millionen Anhänger, 20.000 Sicherheitskräfte, 13.000 Teilnehmer an der Parade, 20.000 Journalisten, 5.000 Klohäuschen auf der "National Mall" vor dem Kapitol in Washington, 2.000.000 extra U-Bahnpläne für die Gäste. Die 5.000 Tickets waren per Internet in weniger als 60 Sekunden verkauft. (boe)

Bill Ayers: Komische Frage. Ich bin doch kein Terrorist. Das ist eine falsche und unsinnge Darstellung, die im Wahlkampf von Hillary Clinton und John McCain erhoben wurde. Wer das nachplappert, bedient eine konservative Interpretation der Bewegung gegen den Vietnamkrieg. Aber die meisten Linken nennen mich auch nicht einen Terroristen.

Kann man überhaupt von einer US-Linken sprechen?

Natürlich kann man nicht von einer einheitlichen Bewegung sprechen. Die pazifistische Linke ist sehr vielschichtig und lebendig. Von Seiten der Rechten wird aber immer wieder versucht, diese Bewegungen auf provokante Schlagworte festzunageln. So geschehen, als im Wahlkampf versucht wurde, die gesamte schwarze Freiheitsbewegung wegen eines einzigen Zitates des Reverends Jeremiah Wright zu diskreditieren. Das diente nur dazu, Obama zu dämonisieren. Dazu brauchten sie den Terroristen, den separatistischen Pfarrer und den antisemitischen Gelehrten.

Es klingt so, als habe Sie das, als mittlerweile angesehener Professor in Chicago, doch noch ziemlich persönlich getroffen.

Nein. Ich gucke kein Fernsehen, und mich interessiert das nicht so. Ich habe drei erwachsene Söhne, die haben die Nachrichten für mich gefiltert und mir dann ein bisschen davon erzählt. Da ich nicht sah, wie ich diese Propagandamaschinerie stoppen konnte, hatte ich ohnehin beschlossen, das zu ignorieren. Aber ich bin ansonsten weiterhin aktiv in der Friedensbewegung und lehre an der Universität.

Kann Obama einem insgesamt recht konservativen Land wie den USA noch als linker Politiker durchgehen?

Obama ist überduchschnittlich smart, er hat herausragende Qualitäten und seine Wahl ist ein geradezu vernichtender Schlag gegen den Überlegenheitsglauben der Weißen. Er wird einer der intelligentesten Präsidenten sein. Als er während des Wahlkampfes gefragt wurde, wen Martin Luther King, wäre er noch am Leben, unterstützen würde, lachte Obama nur und sagte: King wäre auf der Straße und würde Gerechtigkeit fordern, er würde keinen von uns unterstützen. So etwas verstehen nur sehr wenige Politker. Dafür müssen wir Obama beglückwünschen. Aber links war er nie. Er ist ein Moderater.

US- Linke debattieren bereits, ob Obamas Pragmatismus zu einer kleinen oder einer großen Enttäuschung führen wird. Ist das klug?

Viele amerikanische Linke schauen in die falsche Richtung. Barack Obama ist doch kein Monarch, sondern nur der Präsident. Er wird auf politischen Druck reagieren. US-Präsident Lyndon B. Johnson war kein Mitglied der Bürgerrechtsbewegung, aber hat konstruktiv auf sie reagiert. Auch Abraham Lincoln war kein Gegner der Sklaverei, ebenso wie Franklin Roosevelt kein Mitglied der Arbeiterbewegung war. Dennoch bleiben die drei vor allem für ihren jeweiligen unterstützenden Beitrag zu diesen Bewegungen in Erinnerung. Sie reagierten auf den Druck von unten. Von daher sollte die Linke, damit anfangen sich für die Durchsetzung ihrer Ideen zu organisieren.

Wie zum Beispiel?

Bürger sollten eine Massenbewegung für Frieden und Nachhaltigkeit in Gang bringen.

Nach Vietnam ist das doch nie wieder gelungen.

Es gibt zwei problematische Tendenzen in der amerikanischen Linken, die sie selbst bremst: Die eine ist, dass sie denken, der Antriebsmotor der Geschichte sei der Präsident. Falsch. Es waren die sozialen Bewegungen. Man muss als Bewegung den dominierenden Diskurs ändern. Die zweite ist, dass wir stets denken, wir seien eine winzige Minderheit. Falsch. Wir fühlen uns unterlegen, selbst wenn wir es eigentlich gar nicht sind.

Die Linke in den USA ist keine Minderheit?

Ich bin für Frauenrechte, für die Gleichstellung Homosexueller, die Abschaffung der Todesstrafe und der staatlichen Überwachungsgesetze, etcetera. Und die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung denkt ebenso - zumindest in Chicago! Es ist Blödsinn zu denken, wir seien eine Minderheit.

Ist die Wahl Obamas ein Sieg der Linken?

Die Wahl Barack Obamas ist vor allem Resultat der Ablehnung der rechten Politik. Und des Engagements der jungen Generation. Für mich persönlich hat die Linke erst gesiegt, wenn wir eine Friedensbewegung schaffen, die nicht mehr kleinzukriegen ist.

Um Obama herum gibt es bereits so etwas wie eine Graswurzelbewegung. Wird das die neue Linke?

Das hat Potenzial. Was daraus wird, hängt von uns ab. Obama war community organiser; er versteht daher, was sich einfache Leute erhoffen. Ich glaube, dass die Obama-Leute mit diesen Millionen von Freiwilligen, die während des Wahlkampfes für sie an Türen klopften, weiterhin in Kontakt bleiben wollen.

Aber es gab auch in der Bush-Zeit etliche Mobilisierungsversuche. Passiert ist wenig. Die Anti-Kriegs-Bewegung hatte kaum Wirkung. Wie können Sie da so optimistisch sein?

Was? Das stimmt doch gar nicht. Die Friedensbewegung hat erreicht, dass Millionen von Amerikanern den Irakkrieg mehr und mehr ablehnten. Und das ist unserer Bewegung trotz der Lügenmaschinerie der Mainstream-Medien gelungen. Das nenne ich einen Erfolg.

Eine andere Befürchtung, die die Linke umtreibt, ist die, dass es ihr doppelt schwer fallen wird, ihren Präsidenten Obama so hart zu kritisieren, wie es vielleicht geboten sein wird.

Das könnte durchaus passieren. Gleichzeitig weiß die Linke ziemlich genau, was sie will: Nämlich die Schließung von Guantanamo, ein Ende der Folter und der aggressiven, auf Eroberung fixierten Außenpolitik, die Abschaffung der Todesstrafe, bessere Gesundheitsversorgung, Bildung und so weiter. Aber Obama wird uns nicht ins Paradies führen. Und selbst wenn er das täte, sollten wir ihm nicht folgen. Denn nach ihm kommt einer, der uns da auch wieder hinausführen will.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • AM
    Andreas Maier

    Gerade Bill Ayers muss ganz ruhig sein mit seinen Äusserungen . Er war es der mit Bernardine Dohrn , seiner Frau 1970 eine polizeistation 1970 in San francisco Bombardiert hat . Der Polizist Brian MCDONELL ist dabei ums Leben gekommen . Das hat auch der ehemalige FBI-Informant Larry Grathwohl bestätigt der seinerzeit als V-Mann bei der WEATHER UNDERGROUND eingeschleust war .

  • A
    Anne

    @ Yes we can: "(...) ist jemand, der sich nicht für einen besseren Menschen als andere hält, dessen Moralvorstellungen auf Gefühl, Erfahrung und Intellekt beruhen, der die Moralvorstellungen anderer respektiert, der aufgrund umfassender Bildung sehr genau Bescheid weiß und sich trotzdem nicht einbildet, alles verstanden zu haben."

     

    Merkwürdig, das galt z.B. auch für Albert Einstein oder Bertrand Russell und manch andere, die sich sowohl selbst (wenn schon solche Schubladen) für so etwas wie "links" (oder "linksliberal") gehalten haben, und auch von den meisten anderen, die sie kannten, für so etwas wie "links" (oder "linksliberal") gehalten wurden. Deine Pauschalurteile scheinen also irgendwie nicht so ganz zur Realität zu passen.

     

    Davon mal abgesehen: Bzgl. Scheinheiligen Moralaposteltums ist mit Sicherheit bei Leuten, die eher als "Nicht-" oder "Anti-Linke" zu bezeichnen sind, prozentual der Durchschnitt (seit Jahrtausenden) viel höher (die chinesische KP und ein paar andere solche Beispiele, die sich ja vielleicht auch für "links" halten, vielleicht ausgenommen - naja, auch Stalin und die meisten seiner Anhänger hatten in der Kindheit eine strenge, autoritäre, orthodox religiöse Erziehung, da kann dann schon so was Krankes bei rauskommen wie Stalinismus).

  • A
    archimedes

    Nachtrag: @ "Yes we can": Also gemäß der meisten Merkmale Deiner Definition sind dann sehr viele Linke bei der CDU und FDP !

     

    - und zwar mehr als z.B. bei SPD und Bündnisgrünen, und analog sind auch sehr viel mehr Linke demgemäß unter der AnhängerInnen der US Rep.s, als bei den Dem.s.

     

    Nur das mit den Pflastersteinen passt dann nicht so recht, denn die neigen eher zu schärferer Munition (und lassen lieber diesen 'Job' oft andere machen, die sie bezahlen, um sich selber nicht allzu sehr in Gefahr begeben zu müssen).

     

    Und das mit der Mauer ist auch eher subtil, Reisefreiheit für eine Minderheit, die es sich leisten kann, der Rest darf zu Hause bleiben oder z.B. auch im Mittelmeer ertrinken oder darauf verdursten. Das sind dann "Mauern anderer Art", die tendenziell bei CDU und FDP und analogen Parteien Europas etc. stärker befürwortet werden, als z.B. bei SPD und Bündnisgrünen - obwohl ich hier keine Parteischubladen beschwören will - es sind nur Näherungswerte mit Abweichungen.

     

    Ich finde nicht zuletzt, Du machst insofern denselben Fehler wie viele die sich politisch links oder in der Mitte oder rechts einordnen,

    als dieses Muster viel zu unscharf, stereotyp, nämlich eindimensional ist.

     

    Aber wenn wir schon damit arbeiten, finde ich die Vorschläge von Wanja wesentlich überzeugender.

  • A
    archimedes

    @ 16.01.2009 21:41 Uhr: Von Yes we can: Solche extremen Stereotype & Vorurteile sind leider nichts neues in der Welt - ob die Feindbilder nun "links" heißen oder anders.

     

    Die Unfähigkeit zu differenziertere Wahrnehmung ist leider kein neues Phänomen in der Welt, ob nationalistische oder eben solche Arten von Kollektiv-Feindbildern (auch Freundbilder sind oft sehr vorurteilsvoll, aber da ist es meist weniger schlimm in den Konsequenzen, außer wenn es Enttäuschungen deshalb gibt ...)

     

    - und so manche, die sich selber "links" nennen, sind an solchen Pauschalnegativurteilen leider teilweise auch mitschuld.

     

    @ Matthias: Das hatte ich mir auch gedacht (vielleicht hält er ja Chicago für repräsentativ).

  • M
    matthias

    Daraus, dass - so behauptet Ayers - die Mehrheit der Amerikaner in Chigaco politisch links denkt schliesst er, dass es Blödsinn sei zu denken die Linke in Amerika sei eine Minderheit. Eine nicht gerade sehr intelligente Aussage...

  • W
    wanja

    Der Link in meinem Kommentar geht (im Moment, bzw. vorhin, als ich den Link gerade selbst versucht hatte) merkwürdigerweise auf eine falsche Seite, obwohl ich garantiert die richtige URL eingefügt hatte.

     

    Alternativ zum direkten Anklicken mögen Interessierte einfach unter "Amerika" den Artikel "Kritik an Obamas Rettungspaket" auswählen und dort dann die Leserkommentare.

  • YW
    Yes we can!

    Links sein heißt, sich für einen besseren Menschen als andere zu halten, ohne es zu sein.

     

    Links sein heißt, anderen seine eigene verquere Vorstellung von Moral aufzwingen zu wollen, sei es durch plumpe Diffamierung, das Schmeißen von Pflastersteinen oder durch das Einmauern einer halben Nation.

     

    Links sein heißt, nie wirklich genau Bescheid zu wissen, weil man meint, man hätte bereits alles verstanden.

     

    Obama ist jemand, der sich nicht für einen besseren Menschen als andere hält, dessen Moralvorstellungen auf Gefühl, Erfahrung und Intellekt beruhen, der die Moralvorstellungen anderer respektiert, der aufgrund umfassender Bildung sehr genau Bescheid weiß und sich trotzdem nicht einbildet, alles verstanden zu haben.

     

    Nein, Obama ist sicherlich nicht links.

  • W
    wanja

    Ayerst versteht unter "links" zwar folgendes: "(...) für Frauenrechte, für die Gleichstellung Homosexueller, die Abschaffung der Todesstrafe und der staatlichen Überwachungsgesetze, etcetera. (...) die Schließung von Guantanamo, ein Ende der Folter und der aggressiven, auf Eroberung fixierten Außenpolitik, die Abschaffung der Todesstrafe, bessere Gesundheitsversorgung, Bildung und so weiter. (...)".

     

    Das ist aber erstmal "liberal" würde ich sagen, wobei ich das nicht in der Bedeutung meine, wie sie die FDP u.a. für sich vereinnahmen wollen, geht aber tatsächlich schon in Richtung "links", v.a. "bessere Gesundheitsversorgung, Bildung".

     

    Zu politisch "linken" Positionen gehört aber auch die Infragestellung von ökonomischen Spielregeln, die stark dazu beitragen, dass einige extrem reich und andere extrem arm sind - mit mehr oder weniger vielen dazwischen. Sogar Liberale wie John Rawls haben sich bekanntlich schon oft auf dieses Terrain gewagt, das in den USA mehr als in Europa fast ein Tabubereich ist, weil es sehr schnell als "communism" diskreditiert wird. Der Charity-Ansatz ist insofern nicht links, als er das Wohl der Bedürftigen zu sehr von der "Gnade" derer abhängig macht, denen es besser geht. Hier ist daher ein starker Staat gefordert (unter der Bedingung, dass er demokratisch ist, denn sonst ist ein starker Staat "rechts", im Extremfall faschistisch).

     

    Darüber hinaus wäre neben den von Ayers aufgezählten Dingen auch eine Verkehrs- und Energie-Revolution insofern "links", als sie die Lebensbedingungen nicht nur privilegierter Minderheiten, sondern auch der großen Mehrheiten mittel- und langfristig verbessern würde, und das nicht nur in den USA (z.B., aber nicht allein, wegen der Klimakatastrophe), vgl. dazu auch die 3 untersten Kommentare auf dieser Seite:

    http://www.taz.de/1/politik/amerika/artikel/1/kritik-an-obamas-rettungspaket/kommentare/1/1/

     

    Soweit mein Beitrag & Vorschlag zu diesen Begriffen & Konzepten.