US-Wahlkampf und Finanzmarkt: Typisch Barack Obama
Die Finanzkrise ist eine gute Gelengenheit, die Postionierungen der Kandidaten in Wirtschaftsfragen anschaulicher zu machen. Doch bleibt Obama schwer zu greifen.
Man muss sich schon ein wenig die Augen reiben angesichts dessen, was die Wall-Street-Krise in den vergangenen vierzehn Tagen wirtschaftspolitisch mit den USA angerichtet hat. Ein Präsident, der acht Jahre lang für einen ungebremsten Freimarkt-Fundamentalismus stand, bat das Parlament um die größte Regierungsintervention aller Zeiten. Sein Parteigenosse, der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain, stimmte zähneknirschend zu, äußerte jedoch lautstark Bedenken.
Barack Obama positioniert sich hingegen irgendwo in der Mitte. Zwar sah auch der demokratische Kandidat die Notwendigkeit des Handelns ein, geknüpft an eine Reihe von Bedingungen. Es müsse ein Plan her, gemäß dem die US-Banken dem Steuerzahler die 700-Milliarden-Spritze zurückzahlen; die Verwendung der Gelder müsse streng überwacht werden; die Managerlöhne bei den maroden Kreditanstalten müssten gekürzt werden. Und schließlich müsse es ein Paket für die Bürger geben, die aufgrund von Anleihen davon bedroht sind, ihre Heime zu verlieren.
Eine typische Obama-Position. Barack Obama ist in Wirtschaftsfragen schwer zu greifen. Er ist kein klassischer Linker, konservativ ist er jedoch auch nicht. Die New York Times nennt ihn einen "Freie-Marktwirtschaft-liebenden, finanzpolitisch konservativen, Staatsausgaben-freundlichen Umverteiler."
Um die Finanzkrise zu lösen, plädiert Obama keineswegs dafür, wie der Wirtschaftskolumnist Paul Krugman etwa forderte, die Banken zu verstaatlichen. Nein, der freie Markt soll möglichst unangetastet bleiben, Härten und Ungerechtigkeiten sollen aber ausgeglichen werden.
Obamas Besteuerungspläne höherer Einkommen - die oberen 0,1 Prozent sollen pro Jahr 800.000 US-Dollar mehr Steuern zahlen, jeder Haushalt, der mehr als 250.000 einnimmt, wird kräftig zulegen müssen - missfallen den Konservativen. "Dies ist eine zutiefst unamerikanische Lösung für unsere Probleme", wettern Ross Douthat und Reihan Salam in ihrem republikanischen Erneuerungsmanifest "Grand New Party".
Die Linke hat derweil mit Obama ihre eigenen Schwierigkeiten. Naomi Klein wies kürzlich in einem Artikel in der linken Nation ausführlich auf Obamas Verbindungen zur "Chicago School" der Wirtschaftswissenschaft hin - jenen Ideen des Chicagoer Professors Milton Friedman, die für "die Konterrevolution gegen den New Deal in Amerika und für den weltweiten Siegeszug des Neoliberalismus" verantwortlich seien. Obama habe, so Klein, zehn Jahre in diesem intellektuellen Umfeld an der Universität von Chicago unterrichtet. Und er habe sich mit Austan Goolsbee auch einen "Chicago School"- Vertreter zum obersten Wirtschaftsberater gemacht.
"Der Markt ist der beste Mechanismus, der je erfunden wurde, um effektiv Ressourcen bereit zu stellen", sagte Obama jüngst. Auch sehe er einen Zusammenhang zwischen der Freiheit der Märkte und einer übergeordneten Freiheit. Und während der Vorwahl gegen Hillary Clinton trug sich Obama wahre Zornausbrüche seiner Parteigenossen ein, weil er sagte, "Reagans Einsicht, dass der Wohlfahrtsstaat zu träge geworden war, um Wachstum zu gewährleisten, beinhaltete einiges an Wahrheit." Allerdings sagt Obama auch, im Gegensatz zu Reagan und Bush, dass es "einige Dinge gibt, die der Markt eben nicht richten kann". Obama sucht eine Zwischenposition zwischen "Big Government" und Laisser-faire. Eine Position, die sich schwer verkaufen lässt. "Sozialdemokratie" gilt noch immer als Schimpfwort.
So geriet der Kandidat etwa schwer ins Straucheln, als der New-York-Times-Reporter David Leonhardt letztens Obama darum bat, seine Wirtschaftsphilosophie auf den Punkt zu bringen. "Ich erzähle eine simple Geschichte", hob er an, nur um dann genau das Gegenteil zu tun. Reagan habe die Freiheit des Marktes wiederhergestellt, holte Obama aus, Clinton habe das in abgemilderter Form fortgesetzt. Bush habe die Ideen von Reagan dann genommen und sie bis zur Absurdität übertrieben. Was die USA jetzt brauchen, sei nicht eine Rückkehr zu "Big Government", sondern eine Ära verantwortungsvoller Regierungsintervention. Oberstes Ziel für ihn sei, dass "jeder die Chance bekommt, am amerikanischen Traum teilzuhaben."
Das klingt gut, wird gegen die simple Message McCains, "Weniger Regierung, weniger Steuern", im Wahlkampfgetöse jedoch nur schwer bestehen.
"Im Grunde bin ich Pragmatiker", sagt er. "Ich will einfach nur herausfinden, was funktioniert." Die schwere Vermittelbarkeit seiner Wirtschaftsphilosophie könnte allerdings, wenn die Dinge sich so weiterentwickeln wie in den vergangenen Wochen, noch Obamas geringstes Problem sein. "Wenn die Lage sich noch weiter verschlimmert, dann könnte sich Obama als Präsident vor einer ähnlichen Wahl sehen, wie einst Clinton", schreibt David Leonhardt: "Zwischen einem halbwegs handhabbaren Defizit einerseits nämlich und Nothilfe für die leidende Mittelschicht andererseits." Daran will Obama jedoch noch nicht glauben: "Einige Dinge müssen vielleicht ein wenig länger warten", sagte er bei der Debatte mit McCain am Freitag auf die Frage, was das 700-Milliarden-Programm für seine Pläne bedeute. Seine Ziele verliere er aber deshalb noch lange nicht aus den Augen. Schließlich ist Obama sowohl Pragmatiker als auch Idealist. Und auch das ist für ihn kein Widerspruch.
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