US-Superhelden-Epos in Überlänge: Streaming von Trauma
Was bringen eigentlich Superhelden-Filme? Einige Gedanken über das Genre zum Start des vierstündigen Hollywood-Epos „Zack Snyder’s Justice League“.
Was haben uns die Superhelden eigentlich gebracht? Darüber lässt sich zu Ostern mit einem „Rewatch“ von Monty Python’s „Life of Brian“ nachdenken. Etwa wenn John Cleese als Anführer der „Volksfront von Judäa“ auf die rhetorische Frage nach dem Beitrag der Römer für das Land sinnvolle Antworten bekommt („das Aquädukt!“, „die öffentliche Ordnung!“). Kritisch könnte man ebenso argumentieren mit der Kannibalisierung des Comicbook-Genres durch Hollywood. Der Start von „Zack Snyder’s Justice League“, einem Vierstundenexzess, der nun auf Sky Premiere feiert, ist dafür der beste Anlass.
Eines der interessanten Dinge, die sich mit der Popularisierung des Superheldengenres ergeben haben, ist ihre zunehmende Aufladung mit Symbolpolitik. Christopher Nolans „Dark Knight“-Filme wurden eng im Kontext der US-Reaktion auf 9/11 interpretiert, zuletzt mit Heath Ledgers Joker als Terrorist, der „nur die Welt brennen sehen will“. Oder mit Tom Hardys Bane-Bösewicht, einem Neobolschewiken und Anti-Wallstreet-Populisten, der kürzlich als Meme des Gamestop-Börsenhochs wiederkehrte.
Konkurrierende Universen
Auf einer weiteren Ebene bilden die beiden konkurrierenden Superhelden-Universen, das von Disney bestimmte „Marvel Cinematic Universe“ und das traditionell in den Händen des Warner-Brothers-Studios befindliche „DC Extended Universe“ die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaften ab. Insbesondere darin, dass die Zuteilung von „Werten“ zu dem einen oder anderen „Universe“ ziemlich arbiträr erscheint.
Ist das MCU mit seiner Betonung von Diversität und Emanzipation, von Spaß und Empathie etwa „demokratischer“, ja sogar „linker“ als das zur Düsternis neigende DCEU, in dem doch aber in gleicher Weise verstärkt auf PoC und starke Frauen („Wonder Woman“) gesetzt wird? Noch komplizierter wird es, wenn man die divergenten Produktionsauffassungen vergleicht: In der Marvel-Welt regiert Überproduzent Kevin Feige, der für die Filme jeweils Regietalente aus dem Indie-Kino abwarb; Namen wie Chloe Zhao, die gute Chancen darauf hat, mit ihrem Arthouse-Film „Nomadland“ einen Oscar zu gewinnen und danach mit dem Superheldenfilm „Eternals“ einen Kassenhit zu liefern.
„Zack Snyder's Justice League“. Regie: Zack Snyder. Mit Ben Affleck, Henry Cavill u. a. USA 2021, 240 Min. Läuft bei Sky
Die Ausformung des DC-Universums hat Warner Bros. dagegen längst in die Hände des Produzenten und Regisseurs Zack Snyder gegeben. Dessen Handschrift mit seiner „300“-Ästhetik, den „Gewalt in Zeitlupen“-Sequenzen und der finsteren Rhetorik, wirkte im Vergleich zu den sympathisch frischen Superheldenjungs und Mädels von Marvel zunehmend unmodern. Worin wiederum ein besonderer Reiz liegt.
Letzteres kommt mit der Streamingpremiere von „Zack Snyder ’ s Justice League“ inmitten der Pandemie nun noch einmal neu zur Geltung. Gut möglich, dass die Welt empfänglicher ist für den speziellen Ernst der Zack-Snyder-Version einer bedrohten Erde, in der sich die Überhelden in bitterer Gegnerschaft verstrickt haben und außerdem sämtlich von Verlusten traumatisiert sind.
Archetypisches Katastrophenprojekt
Die erste Version von „Justice League“, die 2017 anlief, war ein Katastrophenprojekt, wie es im Buche steht: Umstritten war schon die Produktion, bei der Snyder angewiesen wurde, einen „leichteren“ Ton anzuschlagen. Dann, gezeichnet von Snyders Abgang, der aus persönlichen Gründen erfolgte (er trauerte um seine Tochter Autumn), übernahm Regisseur Joss Whedon („Avengers“) mit einer entgegengesetzten Superhelden-Auffassung: Was zu einem echten „Frankenstein-Film“ führte, der für Warner nicht genug Geld einspielte, unter Fans aber eine Bewegung unter dem Hashtag „#ReleaseTheSnyderCut lostrat.
Dass Snyder seinen Cut nun realisieren konnte, verdankt sich – auch darin eine Spiegelung der Realpolitik – der Verschärfung der „Streaming Wars“. HBO Max, das zu Warner gehört, ließ sich davon überzeugen, dass das Projekt mit seinen engagierten Fans als Abowerbung sinnvoll und sogar eine Mehrinvestition von 70 Millionen US-Dollar für Nachdrehs wert sein könnte. „Schluss mit lustig“ wäre ein angemessener Untertitel zu „ZSJC“. In voller Länge seiner 242 Minuten jedenfalls kommt die Superheldensaga, in der nun Ray Fishers Cyborg das emotionale Zentrum bildet, besser zur Geltung als in der mit verfehlten Pointen durchsetzten Version von 2017.
Der Film, unterteilt in sieben Kapitel, bietet den Konsum in Miniserienformat an. Dass Snyder gleichzeitig aufs Academyformat von annähernd 4:3 zurückgreift, verleiht dem Film einen entrückten, altmodischen Touch, der den Stolz darauf, gegen den Marvel-Trend zu laufen, noch betont. Wem die erste Version von 2017 grundsätzlich missbehagte, der wird auch der Neufassung nichts abgewinnen können. Dass Snyder hier eine sehr eigene, gerade in ihrer Unbehaglichkeit und Gegentrendigkeit spannende Vision realisiert hat, fesselt und irritiert zugleich. Sieht so etwa die Antwort auf Martin Scorseses Vorwurf aus, dass Superheldengenre sei kein Kino?
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