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US-Spionage in DeutschlandRegierung wehrt sich gegen Freunde

Erst NSA-Skandal, dann BND-Spitzelaffäre. Nun will das Bundesinnenministerium die Spionageabwehr verstärken und gezielt Botschaften und Konsulate beobachten.

Eine Aktion des Lichtkünstlers Oliver Bienkowski: „NSA in da House“ auf der Fassade der Berliner US-Botschaft in der Nacht zu Samstag. Bild: dpa

BERLIN dpa | Das Bundesinnenministerium bereitet nach Informationen des Spiegel umfassende Schritte zur besseren Spionageabwehr und IT-Sicherheit wichtiger Ministerien vor. Entsprechende Vorschläge lägen bereits vor und sollten demnächst von Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) abschließend genehmigt werden, berichtet das Nachrichtenmagazin in seiner neuen Ausgabe. Dazu zähle „die gezielte Beobachtung von Botschaften und Konsulaten jener Staaten, die offiziell weiterhin als Freunde gelten“.

Daneben lassen das Außen-, das Verteidigungs- und das Justizministerium dem Bericht zufolge derzeit ihre internen Kommunikationsmittel auf Sicherheitsmängel überprüfen, zum Teil von einer externen Spezialfirma. Im Justizministerium gelte es bereits als fast sicher, dass die Anlagen und Geräte angepasst werden müssten, heißt es weiter. Im Verteidigungsressort sollten die internen Sicherheitsregeln aus dem Jahr 2005 nun aktualisiert werden.

Vor etwa einem Jahr hatte der Informant Edward Snowden ans Licht gebracht, dass der US-Geheimdienst NSA und andere ausländische Nachrichtendienste im großen Stil deutsche Daten abschöpfen. Auch Merkels Handy hatte die NSA über Jahre abgehört. Anfang Juli waren dazu zwei Fälle mutmaßlicher US-Spionage beim Bundesnachrichtendienst (BND) und im Verteidigungsministerium bekanntgeworden.

Der Anfang Juli unter Spionageverdacht festgenommene Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts hat neuen Medienberichten zufolge ein geheimes Konzept zur deutschen Spionageabwehr an die USA und Russland weitergegeben. Den Entwurf für das Konzept reichte der BND-Mann an seinen vermutlich für den US-Geheimdienst CIA tätigen Agentenführer weiter, wie die Süddeutsche Zeitung sowie der Nord- und der Westdeutsche Rundfunk am Samstag berichteten.

Der BND habe im vergangenen Jahr an einem neuen Konzept gearbeitet, um künftig besser Spionageangriffe abwehren zu können. Nach der Weitergabe an den Agentenführer habe der BND-Mitarbeiter das Konzept zudem per E-Mail an das russische Generalkonsulat in München geschickt, berichteten die drei Medien weiter.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den BND-Mann und einen Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums wegen des Verdachts auf Spionage für die USA. Als Konsequenz aus den jüngsten Spionagefällen forderte die Bundesregierung den bisherigen offiziellen Repräsentanten der US-Geheimdienste in Deutschland in der vergangenen Woche zum Verlassen der Bundesrepublik auf. Der Aufforderung kam der Mann am Donnerstag nach.

Der Verdacht gegen den Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums scheint sich indes nicht zu erhärten, wie SZ, NDR und WDR unter Berufung auf Sicherheitskreise weiter berichteten. Der Mann selbst bestritt, für die USA spioniert zu haben. „Ich bin kein Verräter“, sagte er nach Angaben der Zeitung. Er liebe sein Land und sei loyal.

Die Linkspartei warf der Bundesregierung derweil „permanente Kleinrederei“ der Spionage- und Überwachungsaktivitäten der USA vor. „Mit Wortakrobatik und dem erhobenen Zeigefinger wird man die flächendeckende Überwachung der Bürgerinnen und Bürger wie auch die institutionelle Spionage nicht stoppen“, kritisierte Linken-Fraktionsvize Jan Korte am Samstag in Berlin. Er bezog sich auch auf eine Äußerung de Maizières, der die Informationen, die der mutmaßliche CIA-Spion beim BND übermittelt habe, in einer ersten Reaktion als „lächerlich“ bezeichnet hatte.

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2 Kommentare

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  • Vor 12 Jahren hat der BND junge bis mittlere Agenten-Nachwuchskräfte gesucht. Ich erinnere mich an einen ausführlchen Bericht über diese BND-Suche in der "Berliner Morgenpost" (1 ganze Zeitungsseite oder auch nur 1/2 Zeitungsseite), in dem berichtet wurde, welche Eigenschaften, Berufserfahrungen, Qualifikationen, allgemeine Fachkenntnisse (Führerschein, Sprachkenntnisse, Hobbys etc.) Interessierte mitbringen sollten und vom BND erwartet werden. Ich erinnere mich deshalb an diese erstaunliche BND-Arbeitskräftesuche, weil ich damals selber auf Stellungsuche war.

     

    Vielleicht oder vermutlich wurde die damalige Personalfindung unter den Bewerber*nnen nicht sorgfältig, akribisch genug durchgeführt und auch während der Probezeit der "Background" der Eingestellten nicht noch einmal recherchierend geprüft?

     

    Das Alter des aufgedeckten jungen Doppel-Agenten und des aufgedeckten, mutmaßlichen zweiten jungen Doppel-Agenten könnte durchaus passen. Das ist sehr möglich, daß beide BND-Nachwuchskräfte sind. Oder nicht?

  • Schon wieder eine Nebelkerze! Legt endlich die Wahrheit auf den Tisch!

    Warum verhält sich insbesondere die politische Elite in Deutschland im NSA-Skandal so, wie sie sich verhält?

    Versuch der Erklärung einer deutschen Tragödie.

    Die führende Elite verhält sich so, als ob sie "gebunden" wäre: sei es, dass noch Geheimabkommen mit den ehemaligen Alliierten im Nachgang der Besatzungsrechte bzw. im Rahmen des NATO-Truppenstatuts gelten, sei es, dass die langjährige enge und vernetzte, im Kalten Krieg auch erfolgreiche, geheime Zusammenarbeit insbesondere der sog. Sicherheitsdienste als Gewohnheitsrecht weiter wirkt. Verschweigen, zögern, verharmlosen, tricksen ist folglich die Devise. Erst wenn der Druck der "lästigen" Öffentlichkeit mal wieder zu groß wird, wechselt man scheinheilig in den Empörungsmodus, um bald darauf wieder zyklisch in Beschwichtigungsmodus, Besorgtheitsmodus und Abgeklärtenmodus abzutauchen.

    Mit anderen Worten: die Machenschaften der NSA sind grundsätzlich bekannt. Dies zuzugeben, würde entweder Geheimabkommen oder geheimen Gewohnheitsrechten widersprechen und auf den "Verräter" (schuld ist immer der Überbringer der schlechten Nachricht) zurückfallen.

    Dazu kommt die aufgrund der massenhaften Ausspähung mögliche Erpressbarkeit, was auch für ein "Geständnis" nicht förderlich ist.

    Aus diesem Teufelskreis kann man sich nur befreien, wenn man endlich mutig die volle Wahrheit auf den Tisch legt. Erst dann ist ein Neuanfang insbesondere auch zur Vereinbarung von transparenten und verbindlichen gesetzlichen und moralischen Regeln möglich, die den Menschen- und Freiheitsrechten wieder absoluten Vorrang einräumen und den sicherheitsbedingten Maßnahmen enge, richterlich und parlamentarisch überwachte Grenzen setzen.

    Nur ein Traum?

    Sigismund Ruestig hat ihn geträumt.

    Lasst Euch anstecken!

     

    http://youtu.be/v1kEKFu6PkY

    http://youtu.be/pcc6MbYyoM4

    http://youtu.be/_a_hz2Uw34Y

     

    Viel Spaß beim Anhören.