US-Spionage in Deutschland: Regierung wehrt sich gegen Freunde
Erst NSA-Skandal, dann BND-Spitzelaffäre. Nun will das Bundesinnenministerium die Spionageabwehr verstärken und gezielt Botschaften und Konsulate beobachten.
BERLIN dpa | Das Bundesinnenministerium bereitet nach Informationen des Spiegel umfassende Schritte zur besseren Spionageabwehr und IT-Sicherheit wichtiger Ministerien vor. Entsprechende Vorschläge lägen bereits vor und sollten demnächst von Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) abschließend genehmigt werden, berichtet das Nachrichtenmagazin in seiner neuen Ausgabe. Dazu zähle „die gezielte Beobachtung von Botschaften und Konsulaten jener Staaten, die offiziell weiterhin als Freunde gelten“.
Daneben lassen das Außen-, das Verteidigungs- und das Justizministerium dem Bericht zufolge derzeit ihre internen Kommunikationsmittel auf Sicherheitsmängel überprüfen, zum Teil von einer externen Spezialfirma. Im Justizministerium gelte es bereits als fast sicher, dass die Anlagen und Geräte angepasst werden müssten, heißt es weiter. Im Verteidigungsressort sollten die internen Sicherheitsregeln aus dem Jahr 2005 nun aktualisiert werden.
Vor etwa einem Jahr hatte der Informant Edward Snowden ans Licht gebracht, dass der US-Geheimdienst NSA und andere ausländische Nachrichtendienste im großen Stil deutsche Daten abschöpfen. Auch Merkels Handy hatte die NSA über Jahre abgehört. Anfang Juli waren dazu zwei Fälle mutmaßlicher US-Spionage beim Bundesnachrichtendienst (BND) und im Verteidigungsministerium bekanntgeworden.
Der Anfang Juli unter Spionageverdacht festgenommene Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts hat neuen Medienberichten zufolge ein geheimes Konzept zur deutschen Spionageabwehr an die USA und Russland weitergegeben. Den Entwurf für das Konzept reichte der BND-Mann an seinen vermutlich für den US-Geheimdienst CIA tätigen Agentenführer weiter, wie die Süddeutsche Zeitung sowie der Nord- und der Westdeutsche Rundfunk am Samstag berichteten.
Der BND habe im vergangenen Jahr an einem neuen Konzept gearbeitet, um künftig besser Spionageangriffe abwehren zu können. Nach der Weitergabe an den Agentenführer habe der BND-Mitarbeiter das Konzept zudem per E-Mail an das russische Generalkonsulat in München geschickt, berichteten die drei Medien weiter.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den BND-Mann und einen Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums wegen des Verdachts auf Spionage für die USA. Als Konsequenz aus den jüngsten Spionagefällen forderte die Bundesregierung den bisherigen offiziellen Repräsentanten der US-Geheimdienste in Deutschland in der vergangenen Woche zum Verlassen der Bundesrepublik auf. Der Aufforderung kam der Mann am Donnerstag nach.
Der Verdacht gegen den Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums scheint sich indes nicht zu erhärten, wie SZ, NDR und WDR unter Berufung auf Sicherheitskreise weiter berichteten. Der Mann selbst bestritt, für die USA spioniert zu haben. „Ich bin kein Verräter“, sagte er nach Angaben der Zeitung. Er liebe sein Land und sei loyal.
Die Linkspartei warf der Bundesregierung derweil „permanente Kleinrederei“ der Spionage- und Überwachungsaktivitäten der USA vor. „Mit Wortakrobatik und dem erhobenen Zeigefinger wird man die flächendeckende Überwachung der Bürgerinnen und Bürger wie auch die institutionelle Spionage nicht stoppen“, kritisierte Linken-Fraktionsvize Jan Korte am Samstag in Berlin. Er bezog sich auch auf eine Äußerung de Maizières, der die Informationen, die der mutmaßliche CIA-Spion beim BND übermittelt habe, in einer ersten Reaktion als „lächerlich“ bezeichnet hatte.
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