piwik no script img

US-Reaktion auf Taliban-VormarschAsyl für mehr Afghanen

Die US-Regierung will jetzt auch Ex-Mitarbeitern von Medien und Hilfsorganisationen Schutz ermöglichen. Derweil rücken die Taliban weiter vor.

Ihr Protest wurde letztlich erhört: Mitarbeiter des US-Militärs am Militärflughafen Bagram im Juli Foto: Mariam Zuhaib/AP

New York taz | Angesichts des rasanten Vormarsches der Taliban am Hindukusch hat die Regierung in Washington entschieden, den Kreis der Afghanen, die Anspruch auf Asyl in den USA haben, zu erweitern. Am Montag stellte Außenminister Antony Blinken sein neues „Priorität-2“-Verfahren vor. Mit seiner Hilfe können nicht nur Afghanen einen Asylantrag stellen, die in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten für US-Militär und -Regierung gearbeitet haben, sondern auch solche, die für US-Medien oder für humanitäre US-Organisationen tätig waren.

Allerdings müssen die Antragsteller dazu bereits in einem Drittland sein. Ihre Flucht aus Afghanistan müssen sie ohne Hilfe aus den USA organisieren. Auch für ihren Lebensunterhalt müssen die Flüchtlinge während der monatelangen Bearbeitungszeit ihres Antrags selbst aufkommen.

Die US-Regierung nennt keine Zahlen über die erwarteten Flüchtlinge aus Afghanistan. Aber das Heimatsicherheitsministerium in Washington geht davon aus, dass Zigtausende Afghanen P-2-Asyl für sich und ihre Familien beantragen werden. Um das Antragsverfahren für ein „P-2“ zu eröffnen, müssen sie nicht nur außerhalb Afghanistans sein, sondern auch von ihrem ehemaligen US-Arbeitgeber empfohlen werden.

Anschließend tritt die US-Regierung mit ihnen in Kontakt. Die Bearbeitung der Anträge soll voraussichtlich 12 bis 14 Monate in Anspruch nehmen. Anschließend erhalten zugelassene Flüchtlinge eine Erlaubnis zur Ansiedlung in den USA.

Taliban weiter auf dem Vormarsch

Während US-Außenminister Blinken am Montag das neue Vorgehen erläuterte, marschierten die Taliban in drei Provinzhauptstädte ein. In Lashkar Gah in der südlichen Provinz Helmand eroberten die Taliban am Montag auch die staatliche Radio- und Fernsehstation. Darauf lief auf den Sendern zunächst kein Programm mehr.

Helmand diente in den zurückliegenden Jahren als wichtiger Stützpunkt von US-amerikanischen und britischen Truppen. Sie ist zugleich ein wichtiges Anbaugebiet für Mohn, den Grundstoff für Heroin. In der Provinz sind die Taliban traditionell stark.

Am Wochenende unterstützte die US Air Force die afghanischen Regierungstruppen aus der Luft. Sie bombardierte die Taliban an mehreren Orten. Am Boden in Afghanistan haben die USA schon jetzt keine Kapazitäten mehr, um ihren afghanischen Übersetzern und anderen Mitarbeitern bei der Flucht zu helfen. Seit Beginn des US-Rückzugs haben die Taliban eine afghanische Provinz nach der anderen erobert und massive neue Fluchtbewegungen ausgelöst.

294.000 mehr Afghanen seit Mai auf der Flucht

Laut UN-Flüchtlingsrat (UNHCR) sind seit Mai 294.000 zusätzliche Afghanen auf der Flucht. Sie vergrößern eine Armee von insgesamt 3,5 Millionen afghanischen Flüchtlingen. Da afghanische Pässe zu den „schwächsten“ der Welt gehören, können viele von ihnen nicht allein die Grenze zu einem der größeren Nachbarländer – Iran im Westen und Pakistan im Süden – überqueren.

Der Rückzug der USA aus Afghanistan ist das Resultat von Gesprächen, welche die damalige Regierung von Präsident Donald Trump im Februar 2020 mit den Taliban ohne Beteiligung der afghanischen Regierung geführt hat. Bei seinem „Deal“ mit den Taliban hatte Trump ursprünglich einen US-Rückzug bis zum 1. Mai 2021 angekündigt, aber nicht darauf bestanden, dass weitere innerafghanische Verhandlungen stattfinden.

Im Frühling dieses Jahres erklärte Biden dann, dass er die US-Truppen bis zum 11. September zurückholen will. An dem Tag jähren sich die Anschläge in New York und Washington, mit denen die USA den Krieg in Afghanistan begründet haben, zum 20. Mal. Inzwischen hat Biden seinen Abzug beschleunigt. Bis Ende August will er keine US-Präsenz mehr am Boden in Afghanistan haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • @MR. NICE:

    Und doch geben die zur Zeit ein besseres Bild ab als "unser" Deutschland :-(

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Die Bearbeitung der Anträge soll voraussichtlich 12 bis 14 Monate in Anspruch nehmen."

    Genug Zeit, um zu verhungern. Was soll das? Show?