US-Proteste für und gegen den Atom-Deal: Kampf um die entscheidende Stimme
Zwei weitere Senatoren kündigen ihre Zustimmung für den Deal mit dem Iran an. In New York treffen Gegner und Befürworter aufeinander.
Die DemonstrantInnen beäugen sich argwöhnisch. Manche der Teilnehmer bestreiten sogar, dass die Demonstranten auf der gegenüberliegenden Straßenseite Juden seien. Im günstigsten Fall beschimpfen sie sich gegenseitig als „Zionisten“ (für Gegner des Deals) und „Sektierer“ (für die Befürworter). Zwischen den beiden Gruppen brandet der Feierabendverkehr. New Yorker Polizisten achten darauf, dass sich die Demonstranten nicht zu nahe kommen.
16 Tage vor Ablauf der Frist, in der sich der US-Senat zu dem Atomwaffenabkommen mit dem Iran äußern kann, steigt die Nervosität in den jüdischen Organisationen des Landes.
Am Dienstag erklären zwei der bis dahin noch 13 zögerlichen demokratischen SenatorInnen, dass sie den Deal unterstützen werden. „Wir sind besser dran, wenn wir zuerst die Diplomatie probieren“, sagt Senator Chris Coons aus Delaware. Sein Kollege Bob Casey aus Pennsylvania hat seine Entscheidung ebenfalls getroffen: „Das ist die beste Option, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt bekommen können.“ Nach der Zustimmung der beiden fehlt im Senat nur noch eine Stimme, damit das angekündigte Veto von Obama halten kann. Er hatte angekündigt, ein mögliches Nein des Senats, in dem die Republikaner die Mehrheit haben, mit einem Veto zu blockieren.
Eine fehlende Stimme
Insider erwarten, dass die fehlende Stimme bis zum Wochenende kommt. Manche Optimisten streben bereits ein nächstes Ziel an. Wenn es gelänge, neun weitere demokratische SenatorInnen für den Deal zu gewinnen, könnte sich sogar das angekündigte präsidenzielle Veto erübrigen.
Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als könnten sich die GegnerInnen des Abkommens durchsetzen. Nachdem Israels Premierminister Benjamin Netanjahu im Kongress gegen das Abkommen gewettert hatte, als das noch gar nicht fertig war, gaben AIPAC (American Israel Public Affairs Committee) und andere Lobby-Gruppen im Sommer mehrere Millionen Dollar für Anzeigen und Werbespots aus, um Stimmung gegen das Abkommen zu machen.
Doch auch die Gegenseite mobilisierte. Die erst 2008 gegründete, finanzschwächere und an einer Zwei-Staatenlösung interessierte Lobby-Gruppe J-Street schaltete ihrerseits Anzeigen. Sie trommelte für den Deal. Genau wie Hunderte von RabbinerInnen, die an den Kongress appellierten. Und erstmals seit langer Zeit demonstrierten im Sommer Friedensgruppen nicht gegen, sondern für die Politik von Präsident Obama.
„Es wird knapp“, glaubt auch Evan Litton über die Abstimmung im Senat. Er demonstriert auf der westlichen Seite der 3rd Avenue. Weil es ein „schlechter Deal“ und der Iran gefährlich sei. Die USA, so glaubt er, wären „stark genug“, um den Deal gegen den Willen der anderen Unterhändler platzen zu lassen. „Freunde können schon mal unterschiedlicher Meinung sein“, sagt er.
„Nicht vergessen, nicht verzeihen“
Um ihn herum wedeln die Demonstranten mit kleinen US-Fähnchen und nennen Obama „schwach“. Auf ihren Transparenten kündigen sie Senatorin Kirsten Gillibrand an, dass sie „nicht vergessen und nicht verzeihen werden“. Und fragen, ob „Tod für Israel“ und „Tod für Amerika“ wirklich schwer zu verstehen sei. Das Büro der New Yorker Demokratin befindet sich an der 3rd Avenue. Anfang August hat Gillibrand ihre Unterstützung für den Deal zugesagt.
Die DemonstrantInnen wollen verhindern, dass weitere demokratische SenatorInnen für den Deal stimmen.. Der 71-jährige Paul Sternblitz hat früher demokratisch gewählt. Doch damit ist es vorbei. Die Partei sei zu weit nach links gerückt, habe sich aus der Mitte und auch aus der Sympathie zu Israel entfernt, meint er. Nicht nur von seiner alten Partei, sondern auch von Europa fühlt er sich im Stich gelassen.
Auf der anderen Straßenseite dankt Ysroel Dovid Weiss dem US-Präsidenten euphorisch. Denn der habe die Welt dem „Frieden und der Harmonie einen Schritt näher gebracht“. Für den 58-jährigen Rabbiner, der die kleine Gruppe „Neturei“ leitet, ist nicht der Iran das Problem, sondern der Zionismus. Den betrachtet er als „gefährlich für Juden“, weil er Hass säe und von Gott ablenke.
„Ajatollah dankt Amerika“
Deswegen betet der Rabbiner für die „schnelle und friedliche Auflösung des Staates Israel“. Eigentlich hält er Politik für „torah-widrig, nicht jedoch das Streben nach Frieden. Um letzteren zu verteidigen, ist er an diesem Dienstag mit ein paar Dutzend männlichen Anhängern, die alle in schwarz und weiß gekleidet sind und breite Hüte tragen, gekommen. Die Frauen sind zuhause geblieben. „Wir wünschen uns, dass viel mehr Kongressabgeordnete den Deal unterstützen. Und dass die Einschüchterungen durch die Zionisten aufhören“, sagt er.
Ein Laster mit der plakativen Aufschrift „Ajatollah dankt Amerika“ unterbricht den Rabbiner. Er rollt langsam zwischen den beiden Demonstrationen hindurch. Der Laster gehört dem New Yorker Politiker Dov Hikind, der gegen das Abkommen ist. In den vergangenen Wochen parkte der Propaganda-Laster gegen den Iran-Deal oft vor den Büros von SenatorInnen, die den Deal befürworten.
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