US-Präsident vor dem Kongress:Rede zur Spaltung der Nation

Attacken, Verteidigung, Behauptungen: Donald Trump bleibt in seiner „State of the Union“-Rede bei seinen Leitmotiven. Vor allem will er weiterhin die Mauer zu Mexiko. Überraschend sind allein die Gäste

Frauen in Weiß: Die weiblichen demokra­tischen Abgeordneten erinnerten an die Bewegung der Suffra­getten für Frauenrechte Foto: Jonathan Ernst/reuters

Von Dorothea Hahn, New York

Es würde eine Rede der Einheit werden, hatte das Weiße Haus angekündigt. Aber kaum trat US-Präsident Donald Trump am Dienstagabend für seine zweite Rede zur Lage der Nation vor den Kongress, attackierte er DemokratInnen, Frauenrechtlerinnen und SozialistInnen.

Jenen, die eine Amtsenthebung gegen ihn betreiben, warf er eine Art nationalen Verrat vor. Sie würden, so Trump, sowohl das Wirtschaftswachstum als auch den Frieden gefährden. Aber sein Hauptthema war wie üblich: die Mauer. „Ich werde sie bauen“, versicherte er, „Mauern funktionieren. Sie retten Leben.“

Statt versöhnliche Worte zu wählen, beharrte er auf den Leitmotiven, die er seit Beginn seines Wahlkampfs bemüht. Damals bezeichnete er Mexikaner pauschal als Dealer und Kriminelle und zeichnete ein apokalyptisches Bild von einem „amerikanischen Blutbad“.

Während der Präsident am Dienstag sprach, fanden in mehreren Städten der USA Demonstrationen gegen ihn statt. Und in zahlreichen Bars, die gewöhnlich die Rede zur Lage der Nation übertragen, blieb der Bildschirm an diesem Dienstag schwarz.

Im Kongress hatten sich die meisten Frauen der demokratischen Fraktion weiß gekleidet. Mit der Farbe der Suffragetten wollten sie ihren Unmut über Trump zeigen und zugleich den hundertsten Jahrestag des Frauenwahlrechts würdigen.

Als der Präsident erwähnte, dass jetzt mehr Frauen als je zuvor im Kongress säßen, kam in den weißen Rängen kurz Stimmung auf. Doch schnell übertönten „USA, USA!“ skandierende republikanische Männer die Demokratinnen.

Den längsten Teil seiner Rede widmete Trump der Lage an der US-Südgrenze. Dort ist die Einwanderung von Papierlosen zwar seit Jahren rückläufig, doch der Präsident bestand darauf, dass eine „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ vorliege.

Trump behauptete zudem, dass eine durchgängige Mauer an der Grenze die Sicherheit der US-BürgerInnen verbessern würde. Auch das widerspricht den Statistiken, denen zufolge ImmigrantInnen seltener straffällig werden als US-Staatsangehörige. Als „Beleg“ für seine Behauptung hatte der US-Präsident eine Familie auf die Gästetribüne geladen, deren Großeltern von einem papierlosen Einwanderer ermordet worden waren.

Die Bedrohung im Süden und die Gäste, die Trump auf die Besuchertribüne geladen hatte, waren die einzigen Aha-Momente der eineinhalb Stunden langen Rede. Unter den Gästen waren zwei Holocaustüberlebende sowie Teilnehmer der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944.

Als Trump dem 81-jährigen Judah Samet, der sowohl den Holocaust als auch den Anschlag auf eine Synagoge in Pittsburgh im Herbst überlebt hat, zum Geburtstag gratulierte, brandete ein „Happy Birthday“ auf. „Für mich“, kommentierte Trump, „hätten sie das nie getan.“

Den gerade überstandenen Shutdown erwähnte Trump mit keinem Wort. Stattdessen lieferte er ein Sammelsurium von mindestens 29 Themen. Sie reichten von der Drogenepidemie in den USA bis zu Programmen gegen Krebs bei Kindern, von der Strafjustizreform bis zu den Afghanistan-Verhandlungen.

Unter anderem brüstete sich Trump mit dem relativ guten Zustand der US-Wirtschaft – wobei die positiven Trends ausnahmslos bereits unter seinem Amtsvorgänger Barack Obama begonnen hatten. Und er behauptete ohne jeden Beleg, ohne ihn befänden sich die USA heute im Krieg mit Nordkorea. Er kündigte zudem an, dass er sich Ende Februar, dieses Mal in Vietnam, erneut mit Kim Jong Un treffen will.

Die Demokratin Nancy Pelosi, die als Sprecherin des Repräsentantenhauses und Gastgeberin direkt hinter Trump saß, zeigte mit kleinen Gesichtsregungen, wie wenig sie von Trumps Auftritt hielt. Neben ihr, hinter Trumps anderer Schulter, saß Vizepräsident Mike Pence, der fast jeden Satz des Präsidenten beklatschte.

Auf der Besuchertribüne waren auch solche, die von Demokraten eingeladen worden waren. Unter ihnen eine Mexikanerin ohne Papiere, die jahrelang auf Trumps Golfplatz in New Jersey gearbeitet hatte. Erst im Januar wollen die Betreiber gemerkt haben, dass mehrere Angestellte keine Papiere hatten. Sie wurden kollektiv gefeuert.

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