US-Labor Day: Obama für mehr Arbeiterrechte
Für Arbeiter und Angestellte in den USA gibt es zum “Tag der Arbeit” eine traurige Bilanz. Ohne Erfolg waren auch Obamas Bemühungen für ein neues Gewerkschaftsgesetz.
WASHINGTON taz | Für US-ArbeiterInnen ist der 127. “Tag der Arbeit”, der sogenannte Labor Day, der Montag landesweit gefeiert wird, wahrlich kein Freudentag. Beim geplanten Gewerkschafts-Picknick in Ohio, an dem US-Präsident Obama eine Rede über den US-Arbeitsmarkt halten soll, wird nicht zu verschweigen sein, dass die gegenwärtige Rezession laut offiziellen Angaben bis Ende Juli rund 6,7 Millionen US-Jobs vernichtet hat. Trotz Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung wurden im August 2009 weitere 216.000 Arbeitsstellen gestrichen. Obamas großes Reformversprechen, nämlich die Verabschiedung eines neuen US-Gewerkschaftsgesetzes, rückt zudem in immer größere Ferne.
Ein vergangene Woche vorgestellter Report verschiedener US-Stiftungen, darunter Ford und Russell Sage, kommt zum Ergebnis, dass es gegenwärtig schlechter um die US-amerikanischen ArbeiterInnenrechte bestellt ist, als in den drei Jahrzehnten zuvor. So sollen vor allem Niedriglohnempfänger von ihren US-Arbeitgebern regelmäßig um ihre Überstundenbezahlung betrogen werden. Rund ein Drittel erhält nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 7,25 Dollar pro Stunde. 68 Prozent der in Los Angeles, New York und Chicago interviewten rund 4.400 ArbeiterInnen gaben an, dass sie in der vergangenen Woche weniger ausbezahlt bekamen, als ihnen zustehe. US-Gewerkschaften weisen darauf hin, dass dies das Ergebnis einer systematischen Aushöhlung der Arbeiterrechte unter der Administration von US-Präsident George W. Bush sei.
Kaum besser ist es um die Organisationsfreiheit in US-Betrieben bestellt. Das, was konservative US-Politiker gerne an ausländischen Regierungen und Regimen kritisieren, ist in den USA gang und gäbe: In der US-Arbeitswelt wird illegal entlassen, die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht werden verletzt sowie betriebsinterne Wahlen manipuliert.
Laut jüngsten Studien der gewerkschaftsnahen Organisation "American Rights at Work" wird alle 23 Minuten jemand in den USA wegen gewerkschaftlichen Engagements gefeuert. 30 Prozent der Arbeitgeber kündigen Anführern einer Gewerkschaftsbewegung und neun von zehn Bossen zwingen ihre Beschäftigten zu unmissverständlichen Vier-Augen-Gesprächen über Gewerkschaften, sollte sich ein Betrieb organisieren wollen.
US-Präsident Barack Obama, der sich schon als demokratischer Senator für die Reform des Gewerkschaftsgesetzes einsetzte, hatte bei seinem Amtsantritt angekündigt, die soziale Lage der Beschäftigen stärken und Betriebe wieder offen für Gewerkschaften machen zu wollen. Er unterstützt einen im April im Kongreß wieder eingeführten Gesetzesvorschlag, den Employee Free Choice Act (EFCA), der das gewerkschaftliche Organisationsrecht der Beschäftigten gewährleisten soll. EFCA hatte es bereits 2007 durch das Abgeordnetenhaus geschafft, war aber dann an wenigen Stimmen im Senat gescheitert.
Zwar haben die Demokraten im US-Kongreß nun in beiden Kammern die Mehrheit, doch sieht es für EFCA keineswegs vielversprechend aus: Eine Reihe von konservativen Demokraten denkt nicht daran, Obama zu unterstützen. Der republikanische Minderheitenführer im Senat, Mitch McConell, erklärte Ende August, kein Republikaner werde je dafür stimmen, dass US-Arbeiter einer Gewerkschaft einfacher beitreten könnten. US-Arbeiter wollten vielmehr gar keine Gewerkschaften, da “es diesem Land sehr aufgeklärte Manager gibt”.
Eine mächtige Allianz der Unternehmerlobby, darunter die US-Handelskammer und führende Unternehmen, kündigten noch kurz vor Obamas Amtsantritt an, nichts unversucht zu lassen, um EFCA erneut zu Fall zu bringen.
Arbeitgeber, darunter auch in den USA tätige ausländische Firmen, bekämpfen die geplante Neuerung deshalb so vehement, weil eine Reform zunächst erhebliche Mehrkosten bedeutet: Weil es in den USA keine Tarifverträge mit branchenweiter Gültigkeit gibt, sondern jeder Betrieb einzeln verhandelt, erleiden gewerkschaftlich organisierte Unternehmen gegenüber ihren nicht organisierten Wettbewerbern einen finanziellen Nachteil. Laut unabhängigen Studien verdienen gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte in den USA durchschnittlich 27 Prozent mehr Lohn und sind doppelt so häufig krankenversichert. Frauen verdienten bis zu 179 Dollar pro Woche mehr, Afro-Amerikaner 180 Dollar. Die Gewerkschaften selbst sprechen von 25 bis 40 Prozent höheren Leistungen.
In Folge der nachteiligen gesetzlichen Auflagen zur gewerkschaftlichen Organisation eines Betriebes schwindet die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder stetig. In den USA sind nur noch 7,5 Prozent der Beschäftigten in der Privatwirtschaft und 35,9 Prozent im öffentlichen Sektor gewerkschaftlich organisiert. Das sind gerade mal 12,4 Prozent der Beschäftigten (rund 16 Millionen), im Vergleich zu 20 Prozent noch im Jahr 1983. Umfragen der Gewerkschaften zufolge würden 60 Millionen Beschäftigte einer Gewerkschaft beitreten - wenn sie nur könnten.
Das Obama-Team, darunter Hillary Clinton und Vizepräsident Joe Biden, meint es ernst mit dem Versprechen, die Arbeiter-Recht stärken zu wollen. Erst wenn Belegschaften landesweit die Chance auf gewerkschaftliche Vertretung erhalten, gleiche sich der gegenwärtige Wettbewerbsnachteil von „fairen“ Betrieben aus, so das Kalkül. EFCA, über das der Kongreß im Oktober abstimmen will, ist daher, neben der Reform des Gesundheitssystems, eines der wichtigsten und am heißesten umkämpften Gesetzesvorhaben der Obama-Regierung.
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