US-Kongress verabschiedet Freihandelszone: Einige Gewinner, viele Verlierer
Die Zollgrenzen zwischen Kolumbien, Panama, Südkorea und den USA werden fallen. Obama spricht von zigtausenden neuen Jobs, die Gewerkschaften vom Gegenteil.
WASHINGTON taz | George W. Bush hat es versucht – Barack Obama hat es geschafft: Die Zollgrenzen zwischen Kolumbien, Panama, Südkorea und den USA werden fallen. Trotz massiver Proteste aus Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen haben am Mittwoch beide Kammern im Kongress der Schaffung der größten neuen Freihandelszone des Jahrtausends zugestimmt.
Obama, der in seiner Zeit als Senator selbst gegen die Abkommen war, spricht jetzt von einem "bedeutenden Erfolg für Arbeiter und Unternehmen" und für das Label: "Made in America". Er schwärmt von zigtausenden neuen Jobs und Milliarden Dollar zusätzlicher Exporteinnahmen. Und freut sich bereits auf die Unterschriftszeremonie. Als Erstes will Obama die Annahme der Freihandelsabkommen am Donnerstagabend in Washington bei einem Staatsdinner für den südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-bak feiern.
Gleichzeitig sprechen GewerkschafterInnen in den USA von einem "traurigen Tag". Bis zuletzt hatte unter anderem Richard Trumka, Chef der großen AFL-CIO versucht, die "lausigen Abkommen" zu verhindern. Laut Trumka werden sie mindestens 159.000 Arbeitsplätze in den USA zerstören. Und US-Unternehmen werden verstärkt das Steuerparadies Panama, und die minimalen Arbeits- und Umweltgesetzgebungen der drei Länder nutzen.
In ihrer Kampagne gegen die Freihandelsabkommen haben die US-Gewerkschaften auch mit der Gewalt in Kolumbien argumentiert. In keinem Land der Welt werden mehr Gewerkschafter ermordet. Im vergangenen Jahr waren es 51. In diesem Jahr bereits 22. "Würden wir ein Freihandelsabkommen mit einem Land unterzeichnen, wo 22 Unternehmenschefs in neun Monaten ermordet werden?", fragten Gewerkschaftsmitglieder bei Telefonanrufen bei ihren Kongressabgeordneten.
Doch am Ende setzte sich die Lobby durch: die nationale Handelskammer. Sie bearbeitet seit Jahren Abgeordnete beider Parteien im Sinne der Freihandelsabkommen. Am Tag ihrer Annahme jubelt die US-Chamber of Commerce mit fast denselben Worten wie der US-Präsident. "Es ist ein Sieg für amerikanische Arbeiter, für die amerikanische Wettbewerbsfähigkeit und für die amerikanische Leadership", so Thomas J. Donohue.
Florida und Kalifornien profitieren
Zwei US-Bundesstaaten, die schon jetzt stark auf das Lateinamerika-Geschäft setzen, versprechen sich besondere Vorteile von den Handelsabkommen: Florida und Kalifornien. Florida geht davon aus, dass sein Absatz von Zitrusfrüchten und Rindfleisch sowie die generelle Import-Export-Aktivität in seinen Häfen massiv zunehmen wird. Auch Kalifornien erwartet zusätzliche Absatzmöglichkeiten für Agrobusiness und Industrie.
In der Landwirtschaft freuen sich besonders die Hersteller von Rinder-, Milch-, Schweine- und Geflügelprodukten. In der Industrie gehören die Chemieunternehmen zu den Gewinnern. Und lukrative Möglichkeiten erwarten vor allem Banken und andere Finanzunternehmen in der neuen Freihandelszone.
Zugleich drohen andern Sektoren harte Zeiten. Die verbleibenden Arbeitsplätze in der Textilindustrie in den USA könnten zu den ersten Opfern gehören. Hinzu kommen Produktionsstätten von Stahl, von Maschinenteilen sowie Halbleitern. Diese Produkte werden zu niedrigeren Kosten in Südkorea hergestellt.
Umgekehrt drohen besonders Kolumbien und Panama massive Arbeitsplatzverluste in der Landwirtschaft, die nicht konkurrenzfähig gegenüber dem hoch entwickelten Agrobusiness der USA ist. Das abschreckende Beispiel für Gewerkschaften und Fair-Trade-Gruppen ist der nordamerikanische Binnenmarkt Alena, der am 1. Januar 1994 inkraft trat. In seiner Folge verlagerten zahlreiche US-Unternehmen ihre Produktionsstätten nach Mexiko. Umgekehrt flohen überall in Mexiko Kleinbauern von ihrem Land, von dessen Bearbeitung sie ihre Familien nicht mehr ernähren können.
Als unmittelbare Folge dieser Entwicklung haben auch die Emigrationsversuche in den Norden zugenommen. Freilich kontrollieren die USA parallel dazu verstärkt ihre Grenzen. Zur Abfederung für die Opfer sind in den USA Entschädigungen und Umschulungen für Arbeiter geplant, die ihre Jobs durch Unternehmensverlagerungen verlieren.
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