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US-Gewaltdebatte nach FergusonGut? Böse? Bewaffnet!

Woher rührt die Eskalation der Gewalt in einem Land, das den Freiheitsgedanken in seinen Grundfesten trägt? Waffen sind Teil der US-Identität.

Das Böse ist bewaffnet, ergo nur mit einer Waffe aufzuhalten. So denken die, die auf Waffenbesitz setzen. Bild: dpa

Der unbewaffnete Teenager Michael Brown wird von einem Polizisten erschossen. Ein Junge stirbt durch Schüsse aus einer Polizeiwaffe, weil er mit einer Spielzeugpistole hantiert. Ein alte Frau erschießt in Texas ihren Nachbarn durch die geschlossene Wohnungstür, weil sie glaubt, er sei ein Einbrecher. In Florida stirbt Trayvon Martin, weil ein Mann einer Bürgerwehr eine Bedrohung ausmacht. Woher rührt die Eskalation der Gewalt in einem Land, das den Freiheitsgedanken in seinen Grundfesten trägt?

Waffen sind Teil der amerikanischen Identität, das Recht auf ihren Besitz ist im zweiten Verfassungszusatz garantiert. Ihre Freiheit haben sich die Amerikaner durch eine Revolution erkämpft. Den Weg gen Westen – die Eroberung der „last frontier“, der letzten Grenze –bestritten sie mit der Flinte. Waffen sind amerikanische Geschichte, für viele Sammlerstücke, Hobby und Verteidigungsinstrument. 300 Millionen befinden sich geschätzt in Privatbesitz. Das sind mehr Waffen als das Land Bürger hat.

An eine Pistole zu kommen, ist leicht. Jeder Staat hat eigene Gesetze, selbst an Orten, die stark reguliert sind, werden Knarren für 120 Dollar auf der Straße verkauft. „Saturday Night Special“ heißen sie, es könnte auch ein „Happy Hour“-Cocktail sein. Ähnlich leicht ist es vielerorts, Polizist zu werden. Die Ausbildung ist ebenfalls föderal geregelt. In Chicago, einer Stadt mit besonders hoher Mordrate, absolvieren Anwärter knapp sieben Monate Training, bevor sie in Uniform bewaffnet auf den Straßen patrouillieren.

Die Anzahl der Waffen in Privathand hat sich in den letzten Jahren nicht dramatisch erhöht, das ist nicht der Grund, warum sich Amokläufe häufen oder die Polizei immer schneller bereit scheint, einen tödlichen Schuss abzufeuern. Doch bei vielen Amerikanern hat die Angst vor Bedrohungen zugenommen und das Gefühl, für die eigene Sicherheit sorgen zu müssen.

Quote mit Gewaltnachrichten

Die lokalen Fernsehnachrichten bringen nichts als Gewaltnachrichten. Damit machen sie ihre Quote. Viele republikanische Abgeordnete nutzen die Angst für ihren Wahlkampf, da wird im Wechsel vor Terror, Ebola oder dem gewaltbereiten Jugendlichen gewarnt. Diejenigen, die auf Waffenbesitz setzen, unterteilen die Welt in gut und böse. Und das Böse ist bewaffnet, ergo nur mit einer Waffe aufzuhalten.

Nicht alle in Amerika folgen dieser schlichten Hollywood-Argumentation, in linken Kreisen wird Waffenbesitz kontrovers diskutiert, immer wieder versuchen demokratische Politiker, Gesetze zu verschärfen. Sie setzen in der Bekämpfung der Gewalt auf Sozialprogramme, Bildung, Resozialisierung. Doch auch sie sind Teil der privilegierten Mittel- und Oberschicht, die zum Großteil in bewachten Apartmentanlagen mit Sicherheitspersonal wohnt. Und die Stimme derer, die nach mehr Waffen rufen, ist oft sehr viel lauter – und quotentauglicher.

Die Gewalt in Ferguson nach dem Urteil der Grand Jury wird diese Stimmen nicht verstummen lassen. Sie werden nur noch mehr in ihrem Glauben gestärkt, dass Waffen und Polizeiaufrüstung die Antworten auf die zunehmende Gewalt sind.

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12 Kommentare

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  • Frau Haverts,

     

    Sie gleiten schon wieder ins Deskriptive ab!

     

    Für polizeilichen Schusswaffengebrauch ist es nicht zwingend notwendig das ein Angreifer wie der B (den ich aufgrund der Spurenlage so bezeichne) bewaffnet sein muss!

     

    Und tatsächlich korreliert auch in den USA die Rate der SW-Delikte ausweislich der FBI-Statistik mit Geschlecht, Alter und Ethnie. Nur bei der Ethnie fallen die "Amok-Delikte" raus, dafür sind das praktisch immer nicht ausreichend medizinisch versorgte Psychopathen.

     

    Allerdings erscheinen die Bundesanforderungen an eine Polizeiausbildung etwas gering, aber auch hier spielt wohl die Bezahlung eine Rolle.

     

    Und bisher scheint weder der Bund noch die Einzelstaaten ein wesentliches Interesse daran zu haben die Brutstätten von über 95% der SW-Delikte aufzulösen, warum?

     

    Wichtiger wäre sicher noch die groteske Zahl der Suizide zu begrenzen.

    • @KarlM:

      Eine schönes Pamphlet haben Sie sich da zusammengezimmert. Beinhaltet alles, was ein modernes Rassenressentiment von staatsnaher Seite erfordert: Pseudostatistischen Quatsch, Eigenrassen-Protektion, Polizistenlemento, Schuldumkehrung und kaschierendes Beamtendeutsch. Sie sollten Pressesprecher einer NRA-Deutschland-Sektion werden, anstatt in Ihrem Labor auf tote Schweine zu schießen.

      • @Dudel Karl:

        Ah, ein echter Experte spricht aus Ihnen?

         

        Erstmal gibts und beim Homo Sapiens keine "Rassen", maximal Ethnien. Kennt auch die Biologie so nicht. Lesen Sie halt die wiki dazu.

         

        Schauen Sie einfach die Täter/Opfer Statistiken beim FBI an, aber das ist ja alles "Quatsch..., wieso eigentlich?

         

        Kein seriöser Ballistiker schießt heutzutage noch auf Tiere! Eh ein babarischer Unsinn, und wissenschaftlich ist das auch nicht.

         

        Es geht längst mit den Simulanzein Gelatine und Glycerinseife! Selbst für Knochenmaterial gibt es kommerziell alles nachempfunden.

         

        Eine "NRA" brauchen wir in D eher nicht, und ja ich weiß es gibt da einen solchen Interessenverband....

        • @KarlM:

          "Rassenressentiments" haben auch mit "Ethnien" nix zu tun ...

    • @KarlM:

      Was haben Sie bloß immer mit ihren Suiziden? Die Anzahl der Suizide mit SW zu begrenzen finden Sie wichtiger, als den Schusswaffengebrauch allgemein einzuschränken? Und was ist "Diskriptive"?

      "Für polizeilichen Schusswaffengebrauch ist es nicht zwingend notwendig das ein Angreifer wie der B (den ich aufgrund der Spurenlage so bezeichne) bewaffnet sein muss!"

      Aha. Sie erdreisten sich also, Gegebenheiten rein aufgrund einer Spurenlage zu beurteilen (die Sie irgendwelchen Veröffentlichungen entnehmen), andere sollen aber gefälligst den Mund halten, weil Sie keine Ahnung haben.

      Und der Anfangs zitierte Satz sagt schon sehr viel aus über Ihre Gesinnung. Wundert mich aber nicht, da Sie ja anscheinend Teil des hiesigen Polizeiapparates sind.

      • @Ute Krakowski:

        Also,

         

        die vielen Suizide müssen ja Gründe haben (wahrscheinlich im Kern das rudimentäre Renten und Gesundheitssystem), da läßt isch leicht etwas wirksam verbessern.

         

        Dann ein Abschaffen der milieubedingten SW-Delikte, d.h. tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen um die Getthostrukturen sowie deren soziale Zementation abzubauen.

         

        Das wären, näherungsweise, einfache Verbesserungsmöglichkeiten von 20000 Suiziden und ca. 9500 bei den milieugebundenen Delikten im Extremfall. Angesichts von knapp 30.000 SW-Toten im Jahr doch nicht der schlechteste Ansatz?

         

        Wieso sollte ich den Schusswaffenbegrauch gegen Gewalttäter einschränken wollen?

         

        Und natürlich beurteile ich beruflich die Gegebenheiten "ex post", mit einem ordentlichen Maß an Erfahrung. Natürlich will ich Ihnen nicht den Mund verbieten, das liegt mir fern. Der Unterschied ist das ich berufsbedingt meine Einschätzung begründen kann, Sie dagegen nicht.

         

        Wir können auch gern über Sinn und Zweck von "Polizei" sprechen. Und nein ich bin kein PVB...

        • @KarlM:

          Was ist ein PVB?

          Sprechen Sie gerne in Rätseln um den Angreifer zu verwirren?

        • @KarlM:

          "Der Unterschied ist das ich berufsbedingt meine Einschätzung begründen kann, Sie dagegen nicht."

           

          Deswegen müssen Sie noch lange nicht recht haben. Gerade Fachleuten fällt es leicht, mit ein bißchen Salbaderei die berechtigten Argumente anderer zu zerreden.

          • @Dudel Karl:

            Danke, dass Sie sagen, was ich irgendwie nicht so recht auszudrücken wusste.

            Ich nenne es einfach Korinthenkackerei, aber das klingt so wenig wissenschaftlich...

          • @Dudel Karl:

            Darum trenne ich ja auch zwischen der allgemeinen Beschreibung und meiner Interpretation; nicht umsonst.

             

            Berechtigte Argumente sind solche die fachlich begründet sind, was mir entgegen gehalten wurde sind Vermutungen. Das ist schon ein Unterschied.

      • @Ute Krakowski:

        Oh, tschuldigung... ich meinte natürlich weil SIE, also wir, die Leser, keine Ahnung haben!

  • Die USA sind eben noch immer der Wilde Westen. Dort gilt: Wer später schießt, ist länger tot. Da ist mir das alte Europa doch lieber.