US-Frauenbasketball hat Pläne: Chicago jubelt wieder
Die US-Liga Women’s National Basketball Association steckt in der Krise – und will mit Diversität und Inklusion punkten.
D ie Halle brodelte. Niemanden im Publikum hielt es noch auf den Schalensitzen, Edelfan Chance the Rapper rastete am Spielfeldrand aus. Chicago fieberte eine Meisterschaft herbei und als der Sieg unter Dach und Fach war, wurden die Helden lautstark gefeiert. Nur, dass es keine Helden waren, sondern Heldinnen, die auch nicht das rote Trikot der Chicago Bulls trugen, sondern das schwarze mit himmelblauen Streifen der Chicago Sky.
Chicago ist wieder die Basketball-Hauptstadt der USA, aber es sind nicht die seit der Ära Michael Jordan in der Mittelmäßigkeit versunkenen Bulls, für die sich die Stadt begeistert. Es ist das Pendant aus der Women’s National Basketball Association (WNBA), die mit einem 80:74-Erfolg gegen Phoenix Mercury den ersten Titel klarmachte. Ein Erfolg, den erst die Rückkehr einer verlorenen Tochter möglich machte.
Vier Spiele dauerte die Best-of-Five-Finalserie, als beste Akteurin wurde Kahleah Copper ausgezeichnet. Entscheidend beigetragen zum Erfolg hatten auch die beiden Aufbauspielerinnen Allie Quigley and Courtney Vandersloot, die seit drei Jahren verheiratet sind: Sie sind das erste Ehepaar, das zusammen einen solchen Titel gewinnt.
Aber das waren alles nur Randnotizen. Die Geschichte, die erzählt werden musste, war die von Candace Parker. Die Geschichte einer Basketballspielerin, die schon alles gewonnen hat, um nach Hause zurückzukehren und für ihren Heimatverein endlich den ersten Titel zu holen – und im entscheidenden Spiel nicht nur 16 Punkte, 13 Rebounds, 5 Assists und 4 Blocks sammelt, nicht nur den Dreier zum psychologisch wichtigen Ausgleich verwandelt, sondern im Notfall auch noch die beste Spielerin des gegnerischen Teams bewacht.
Coming home
Aufgewachsen im Speckgürtel von Chicago, wurde Parker schon als Teenager ein Medienphänomen. Nachdem ihr in einem Spiel ihres Highschool-Teams ein Dunk gelungen war, belagerten am nächsten Morgen TV-Reporter das Haus ihrer Eltern. Das 1,93-Meter-Bewegungstalent war die erste Basketballerin, die ihre Entscheidung, an welchem College sie fortan spielen wolle, im Fernsehen verkündete. Mit den Lady Volunteers der University of Tennessee gewann sie zwei Nationale Meisterschaften. Im Draft 2008 wurde sie als allererste Nachwuchsspielerin von den Los Angeles Sparks ausgewählt und fand sich auf dem Titel von Sports Illustrated wieder: „Das größte Talent in der Geschichte des Frauen-Basketball.“ Folgerichtig gewann sie in ihrem ersten Jahr in der WNBA nicht nur den Auszeichnung als bester Liganeuling, sondern auch gleich als MVP, als beste Spielerin der Liga.
Es folgten ein Titel mit Los Angeles, zwei olympische Goldmedaillen, ein weiterer MVP-Titel und ungezählte andere Auszeichnungen. Mittlerweile ist Parker 35 Jahre alt, Mutter einer Tochter im Teenageralter, hat sieben Knieoperationen hinter sich, und als TV-Expertin kommentiert sie eloquent und fachfraulich die Leistungen der männlichen NBA-Kollegen.
Dass Parker nach 18 Jahren in der Fremde im Februar einen Zweijahresvertrag in der alten Heimat unterschrieb und nun tatsächlich den Titel mit Chicago Sky holen konnte, ist genau die Sorte leicht rührseliger Geschichte, die sich in den USA gut verkaufen: wenn die Protagonistin mit wässrigen Augen erzählt, wie sie ihre Tochter vermisste, die in Los Angeles zur Schule ging.
Es ist aber auch genau die Sorte Geschichte, von der die WNBA noch mehr braucht. Denn die Zuschauerzahlen gehen seit Jahren zurück, die Klubs wechseln für gerade mal 10 bis 15 Millionen Dollar den Besitzer, während etwa die Franchises der gleich alten Fußball-Liga MLS ungefähr das 20-Fache wert sind.
Die Folge: Noch immer verdienen die Spielerinnen so schlecht, dass sie im Winter im Ausland spielen müssen. Auch Candace Parker spielte in Russland, China und der Türkei. Cathy Engelbert will das ändern. Seit zwei Jahren im Amt, verkauft die WNBA-Chefin die Liga nun als Vorbild für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion – und konnte bereits neue, lukrative Werbedeals mit Google, AT&T und Nike abschließen. Es geht voran, und die glorreiche Rückkehr der verlorenen Tochter, die nicht nur in Chicago Begeisterung ausgelöst hat, trägt ihren Teil dazu bei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten