US-Eishockeyliga: Der Heiland muss ran
Wie Kufenstar Wayne Gretzky aus den zahnlosen Phoenix Coyotes überaus bissige Eishockeyprofis machen will.
Die Rückkehr des Erlösers ist vorerst verschoben. Nordamerikas Eishockey-Fans müssen sich noch einen Moment gedulden, bis Sidney Crosby (20) wieder auflaufen wird für die Pittsburgh Penguins. Sein rechter Knöchel ist zwar so weit genesen, dass Crosby bereits am Training teilnimmt, aber wann der seit Mitte Januar verletzte Superstar der National Hockey League (NHL) tatsächlich wieder spielen wird, steht noch nicht fest.
Derweil feiert Crosbys Vorgänger als Heiland der NHL seine Wiederauferstehung - wenn auch in anderer Rolle. Wayne Gretzky scheint als Trainer auf dem besten Wege, die bislang eher zahnlosen Phoenix Coyotes zu einer erfolgreichen Mannschaft zu formen. In der vergangenen Saison noch das zweitschlechteste Team der Liga, schnuppert man nun an einem Playoff-Platz. Aus einem undisziplinierten Haufen, der gespickt war mit ausgebrannten Liga-Veteranen, die im Rentnerparadies Arizona vornehmlich das milde Klima genossen und die hervorragenden Golfplätze frequentierten, ist unter dem Mitbesitzer und Chefcoach Gretzky ein junges und hungriges Team geworden. "Wir sind endlich auf dem richtigen Weg", sagt Gretzky, "auch auf lange Sicht."
In seiner dritten Saison als Trainer in Phoenix profitiert Gretzky dabei nicht nur davon, dass die Mannschaft nach der verheerenden Vorsaison radikal umgebaut wurde, die altgedienten Spieler in den Ruhestand geschickt und von hoffnungsvollen Talenten ersetzt wurden. Auch der beste Eishockeyspieler aller Zeiten hat sich gewandelt. Der Trainer Gretzky hat lernen müssen, dass er an seine Angestellten nicht dieselben Maßstäbe anlegen kann wie an den Spieler Gretzky. "Ich habe meine Emotionen besser im Griff als früher", sagt er, "das ist nötig bei einer jungen Mannschaft." Zu harsch hatte der als extrem ehrgeizig bekannte, zum Jähzorn Neigende seine Nachwuchsspieler oft kritisiert. Der neue Kuschelkurs trägt Früchte. "Der Klub war ganz unten, tiefer geht es hoffentlich nicht", erinnert sich Gretzky an die erfolglosen Jahre, "aber jetzt sehen wir endlich das Licht am Ende des Tunnels." Dazu beigetragen hat auch, dass Gretzky sich entschiedener auf seine Aufgabe als Trainer konzentrierte. Bis zu dieser Saison, so die Kritiker, kümmerte sich der mittlerweile 47-Jährige oft intensiver um seine vielfältigen Geschäftsinteressen als um die Weiterentwicklung des Teams. Zu den Werbeverträgen, den Immobilieninvestitionen und der Modelinie kamen zuletzt noch ein Restaurant in Toronto und die Weinmarke "No. 99 Wayne Gretzky Estates". Trotzdem schafft es Gretzky, seinen Spielern mit gutem Beispiel voranzugehen und meist lange vor ihnen in der Eishalle zu sein. "Ich will den Stanley Cup hierher holen", verspricht er.
Gretzky ist nicht nur fürs Sportliche verantwortlich, er besitzt auch Anteile an der Franchise-Firma. Teile seines persönlichen Vermögens hat er überdies investiert in die noch nicht einmal fünf Jahre alte Arena, die auf einem Baumwollfeld in einem Vorort von Phoenix aus dem Boden gestampft wurde. Doch noch immer sind die Coyotes bei weitem nicht so beliebt in Phoenix wie die Basketball spielenden Suns und die Baseballer von den Diamondbacks. Selbst das schon seit Jahren erbärmlich schlechte Football-Team der Stadt, die Arizona Cardinals, ist weit zugkräftiger als die Coyotes. Das zu ändern ist wahrlich eine Aufgabe für den Heiland Wayne Gretzky.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!