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US-Diplomat in Amman erschossen

Die Hintergründe des Attentats in Jordanien sind bislang unklar. Doch angesichts des israelisch-palästinensischen Konflikts und eines möglichen Krieges gegen den Irak nimmt die antiamerikanische Stimmung zu. Die Regierung steckt in einem Dilemma

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Die jordanische Hauptstadt mit ihren großzügig angelegten Villengegenden erhielt bisher von Ausländern und Diplomaten das Prädikat „langweilig, sauber und sicher“. Letzteres erwies sich allerdings gestern Morgen als Trugschluss. Als ein Diplomat des staatlichen amerikanischen Entwicklungsdienstes USAID aus seiner Ammaner Villa trat, um in sein Auto zu steigen, eröffnete ein Unbekannter das Feuer. Laurence Foley wurde von mindestens sieben Kugeln in den Kopf und die Brust niedergestreckt und war nach Angaben der jordanischen Behörden sofort tot. Der oder die Täter konnten fliehen.

Bisher hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt. Die Ermittlungsbehörden ließen bisher offen, ob es sich um einen politischen oder kriminellen Hintergrund handelt. „Dieses Attentat, ungeachtet seiner Motive und Gründe, ist ein Angriff auf Jordanien und seine nationale Sicherheit, den wir nicht tolerieren werden“, sagte Informationsminister Muhammed Adwan. Sicherheitshalber streuten die Behörden aber schon einmal die These vom Einzeltäter.

Sicher ist, dass Washingtons Einseitigkeit im israelisch-palästinensischen Konflikt und die Kriegspläne der Bush-Regierung gegenüber dem Irak die antiamerikanische Stimmung in den letzten Monaten in Jordanien stark angeheizt haben. Selbst ehemalige Regierungsvertreter machen hinter vorgehaltener Hand ihrem Ärger Luft. „Die USA wollen lediglich ihren Ölfluss und Israel sichern und uns in ein Land verwandeln, das seine Konsumprodukte kauft“, erklärt beispielsweise ein ehemaliger Berater des Königs. Die Stimmung auf der Straße ist noch angespannter, aber die Polizei hat Anweisung, alle größeren Proteste im Keim zu ersticken.

Offiziell versucht die Regierung, sich aus alldem herauszuhalten. „Jordanien kommt zuerst“, lautet die vor wenigen Wochen verkündete Politik, wobei es der Regierung vorbehalten bleibt, das nationale Interesse des Landes zu definieren. Der Informationsminister Muhammad Adwan spricht von „besonderen Umständen“, aus denen das Land, eingezwängt zwischen den Konfliktherden Palästina und Irak, mit dem geringstmöglichen Schaden hervorkommen soll. Ministerpräsident Ali Abu al-Ragheb fasste das jordanische Dilemma zusammen, als er am 3. Oktober erklärte, sein Land halte zwar „historische, strategische und ökonomische Beziehungen“ zum Irak, die wirtschaftlichen, strategischen und politischen Interessen mit den USA seien aber ebenfalls sehr wichtig.

Offen werden unterdessen die negativen Folgen eines Krieges im Irak diskutiert. Die daraus entstehenden Probleme seien für das Land unberechenbar, schreibt der jordanische Kolumnist Musa Keilani in einem Kommentar der Jordan Times letzten Sonntag, angefangen von erwarteten Flüchtlingen aus dem Irak, einem Erliegen des Handels, einer Einstellung des Flugverkehrs bis hin zu „einer generellen Panik und der Frustration über die absolute Hilflosigkeit, wenn das Schicksal der Region von äußeren Mächten gesteuert wird“.

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