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US-Außenpolitik in AfghanistanDen Taliban das Land serviert

Thomas Ruttig
Kommentar von Thomas Ruttig

Lange taten die USA so, als könne man eine Demokratie mit Warlords aufbauen. Jetzt geht Afghanistan an die Taliban.

Mike Pompeo und der afghanische Präsident Ghani in Kabul Foto: Afghanischer Päsidentenpalast via reuters

A fghanistans machtgeile, kleptokratische Eliten hätten die Milliardenkürzung verdient, die US-Außenminister Pompeo nach fehlgeschlagener Vermittlung in Kabul am Montag bekannt gab. Seit sechs Monaten streiten sie, nach einer ungeklärten Wahl, wer die Pfründen der Präsidentschaft verteilen darf. Doch selbst ein Systemkollaps nach weiteren Kürzungen würde sie nicht treffen. Sie können mit ihren Zweitpässen an den Golf oder an den Central Park ziehen. Sie haben vorgesorgt – mit milliardenschweren Unterschlagungen auf Kosten ihrer Landsleute, für die diese Gelder eigentlich bestimmt waren und die zu mehr als der Hälfte immer noch in Armut leben.

Dass die USA die beiden Kabuler Möchtegern-Präsidenten jetzt zu Alleinschuldigen stempeln, ist allerdings infam. Sie sind für diese Situation zentral mitverantwortlich. Straffreiheit, nicht nur für Korruption, war kein Systemfehler, sondern Teil des Lohns für Warlords und Neo-Oligarchen, mit denen man den „Krieg gegen den Terror“ bestritt, der genauso fehlschlug wie das afghanische Projekt.

Zuletzt beging Washington den taktischen Fehler, Präsident Ghani trotz Bedenken ob der Rechtmäßigkeit seiner Wiederwahl zurück in sein Amt zu hieven und dabei wie bei allen Wahlen seit 2004 demokratische Prozeduren (Neuauszählung, Stichwahl) über Bord zu werfen. Offenbar hatte man gehofft, er werde sich mit Flexibilität erkenntlich zeigen, seine Gegner in die Regierung aufnehmen und dadurch Gespräche und einen Frieden mit den Taliban ermöglichen. Auch Europa hat keinen Grund, sich zu entrüsten, denn man folgte diesem Kurs größtenteils sehenden Auges.

Trumps Amerika ist jetzt offenbar bereit, das Land den Taliban auf dem Silbertablett zu servieren. Das ist nicht nur Ausdruck einer neuen Brutalo-Außenpolitik, der schon Syriens Kurden geopfert wurden, sondern auch des Scheiterns der zutiefst zynischen Politik, die so tun wollte, als könne sie eine Demokratie mit Warlords aufbauen.

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Thomas Ruttig
Autor:in
Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.
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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Jetzt geht es weiter mit den Terroranschlägen des IS: 25 Tote auf die Sikhs.



    Doch es hätte ein militärischer Sieg über die Taliban und über den IS sein müssen.



    Für die Kurden bzw. Rojava wurde auch sofort eine Flugverbotszone gefordert.



    Immer diese einseitigen Sichtweisen.

  • Der Einsatz in Afghanistan war nie sinnvoll. Man hätte nach 9/11 mit den Taliban verhandeln können, ihnen Beweismaterial gegen Bin Laden zukommen lassen können, und fertig wars. Die meisten der beschuldigten Attentäter waren sowiso Saudis.

    Eine Schande, dass die Bunderegierung das mitgemacht hat. Jetzt geht das Land an die Taliban, und die Ausgangssituation ist erreicht, nur mit viel Hass der Afghanen gegen den Westen.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    als ginge es den amerikanern irgendwo um demokratie - so lassen sie es nur immer wieder aussehen, wenn sie ihre wirtschaftsinteressen oder ihre geopolitischen ziele mit skrupellosigkeit und gewalt versuchen durchzusetzen.



    oops, gerade noch al qaida und is im namen der demokratie unterstützt, dann aber enttäuscht festgestellt: die feinde meiner feinde sind ja gar nicht meine freunde...

  • Can't win, the Americans!

    Wenn sie in Afghanistan abziehen, werden sie kritisiert. "Den Taliban auf Silbertablett" wie schon in Syrien.



    Wenn sie sich weiter engagieren, werden die Amis auch kritisiert.

    Naja, vielleicht nicht, wenn sie allen Konfliktparteien nichts als Blumen und Schulbuecher schicken wuerden!

    Herr Ruttig, wie waer's einmal, die Alternativen etwas weiter auszuloten. Ansonsten sind solche Analysen naemlich relative wertlos. Also, welche Analyse gibt es? Und bitte nicht gleich damit anfangen, anzunehmen, dass Trump nicht mehr Praesident ist.

  • Alles richtig Herr Ruttig, aber wie sah die Alternative aus, zu intervenieren war ja politisch gesetzt.

    Enduring Freedom und die nachfolgenden Missionen der NATO waren nie besonders populär, aber im Vergleich zum 3. Irakkrieg nicht so verlustreich für das westliche Militär, in 18 Jahren ca. 3.560 tote Soldaten. Ein Vorgehen gegen die Warlords, die Druglords nicht zu vergessen, hätte die Einsätze erheblich verlustreicher gemacht, das wollte man nicht, weil man es Zuhause nicht verkaufen konnte.

    Außerdem drängten sich da auch keine Alternativen auf, also kam man auf die sau blöde Idee, die Warlords in die Regierung zu integrieren und vor allem auch ihre Milizen, die die Bevölkerung terrorisieren. Ganz einfach weil man nicht gegen sie kämpfen wollte und sie als Machtfaktor nunmal da waren.

    Trump will nur raus, seinen Wählern ist Afghanistan egal, außer wenn ihre Kinder da als G.I. verrecken. Flucht wie in Saigon will er aber auch nicht, passt nicht zu seinem Image. Also versucht er dafür zu sorgen, dass die Taliban nicht direkt nachdem der letzte Humvee in Kabul vom Hof ist, die dann leeren Parkplätze nutzen.

    • @Sven Günther:

      Alles richtig Herr Günther, aber wie sieht der Gegensatz zum Artikel nun aus, zu widersprechen war ja emotional gesetzt.

      • @Sonntagssegler:

        Man hätte gegen die Warlords kämpfen müssen oder nicht in Afghanistan bleiben dürfen.

        Solange Leute wie Rashid Dostum, Abdul Rab Rasul Sayyaf oder Mohammad Qasim Fahim Vizepräsident oder politisch exponierte Personen sind und deren Milizen tun und lassen können was sie wollen, wird es niemals möglich sein, einen einigermaßen demokratischen Staat aufzubauen.

  • "Trumps Amerika ist jetzt offenbar bereit, das Land den Taliban auf dem Silbertablett zu servieren"

    Ach? das merkt ihr jetzt erst?