US-Aktivistin über Kampf gegen die NSA: „Der Patriot Act ist unpatriotisch“
Eine US-Initiative kämpft gegen die Speicherung von Telefon-Metadaten. Diese sind aufschlussreicher als viele denken, sagt Aktivistin Nadia Kayyali.
taz: Ihre Kampagne „Fight 215“, die von 41 Initiativen und Institutionen getragen und von der Electronic Frontier Foundation angeführt wird, richtet sich gegen den Paragraphen 215 des Patriot Act. Dieser bildet unter anderem die Grundlage für die millionenfache Sammlung von Telefon-Metadaten. Was ist das Patriotische am Patriot Act?
Nadia Kayyali: Die Intentionen der Autoren mögen patriotisch gewesen sein, das Gesetz selbst ist es nicht. Das ist vielleicht der Grund, warum sich selbst einer der Autoren des Patriot Act, der als streng konservativ geltende Republikaner Jim Sensenbrenner, nun darum bemüht, der NSA mit einer Gesetzesreform Einhalt zu gebieten.
Der Patriot Act reglementiert die Sammlung von Informationen durch den Geheimdienst, er umfasste ursprünglich aber auch eine Bestimmung, welche die Diskriminierung von arabischen und muslimischen Amerikanern verurteilte und einen ganzen Absatz, der sich der Entschädigung von Terrorbetroffenen widmete. Wir von „Fight 215“ wollen die außer Kontrolle geratene Überwachung durch die NSA beenden. Die Speicherung der Telefon-Metadaten abzuschaffen, sehen wir als einen ersten Schritt in diese Richtung an.
Der Patriot Act wurde unter den Eindrücken des 11. Septembers verabschiedet. War es gerechtfertigt, solch eine drastische Maßnahme zu ergreifen?
Nach dem 11. September befanden sich die Vereinigten Staaten inklusive des Kongresses in einem Schockzustand. Eine schreckliche Angst und Trauer, die das Land durchzogen, ebneten den Weg für den Patriot Act. Aber all dies rechtfertigt nicht, was passierte. Das nahezu 300 Seiten starke Gesetzeswerk, das in jenen Tagen verabschiedet wurde, verstieß nicht nur gegen die Verfassung, es ist zudem unklar, wie und ob es uns geschützt hat.
Wie wird die Regierung der Masse an Telefon-Metadaten fertig?
Das ist eine gute Frage. Die Strategie der Regierung ist es, alles zu sammeln: „Anstatt die Nadel im Heuhaufen zu suchen, verfolgte der NSA-Direktor General Keith B. Alexander den Ansatz, den ganzen Heuhaufen zu erfassen“, wird ein ehemaliger Geheimdienstbeamter von der Washington Post zitiert.
Der Paragraph 215 läuft am 1. Juni aus. Werden die Telefon-Metadaten gelöscht, falls der Paragraph nicht wiederbewilligt wird? Und wie lange werden die Daten aufbewahrt?
ist Mitglied des US-Aktivistenteams Electronic Frontier Foundation. Überwachung und nationale Sicherheitspolitik zählen zu ihren Schwerpunkthemen.
Falls der Paragraph 215 ausläuft, bedeutet dies nur, dass die Regierung nicht mehr in der Lage wäre, die Datensammlung weiterhin zu rechtfertigen. Telefon-Metadaten werden momentan fünf Jahre lang gespeichert.
Im Rahmen Ihrer Kampagne haben Sie bisher eine Website ins Leben gerufen und Twitter-Nutzer gebeten, die Regierung zu kontaktieren. Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Das hängt sehr von den Ereignissen im Kongress ab. Unabhängig davon, ob eine Gesetzesreform eingeleitet wird, muss sich der Kongress bis zum 1. Juni mit dem Paragraphen 215 auseinandersetzen. Wir werden unsere Anstrengungen also definitiv intensivieren, je näher dieses Datum rückt.
Viele sagen: „Es sind doch nur Metadaten, die dort gesammelt werden – warum sollte ich mir deswegen Sorgen machen?“ Wie antworten Sie darauf?
Metadaten sind sehr aufschlussreich. In einer Kurzzeitstudie, der Telefonmetadaten von 546 Menschen zugrunde lagen, konnte ein Forscher der Stanford-Universität Rückschlüsse auf eine Abtreibung, ein Herzleiden, eine Multiple Sklerose sowie den Besitz einer spezifischen Schusswaffe ziehen.
Außerdem können Metadaten private Informationen verraten – manchmal mehr als inhaltliche Daten verraten würden. Eine Spende an eine Wohltätigkeitsorganisation per SMS kann beispielsweise sehr aufschlussreich sein.
General Michael Hayden, ehemaliger Direktor der NSA und der CIA, sagte zudem: „Wir töten Menschen basierend auf Metadaten.“
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