UNIONS-FRAKTIONSCHEF MERZ WILL SCHULDENTILGUNG UM JEDEN PREIS: Geliehene Autorität
Friedrich Merz ist zu bedauern. Was er anpackt, macht er in den letzten Wochen falsch. Im Steuerstreit glaubte er, mit dem berühmt-berüchtigten Halbeinkünfteverfahren mächtig punkten zu können. Das ging bekanntlich schief. Drei von der CDU mitregierte Länder – Berlin, Bremen und Brandenburg – hatten andere Sorgen. Sie ließen Merz sein Wortungetüm und stimmten der Steuerreform zu. Das Geld, das die rot-grüne Regierung für die Fahnenflüchtigen der CDU nach dem Sieg im Bundesrat aufbringen muss, soll unter anderem mit den Zinsersparnissen aus dem UMTS-Geschäft gewonnen werden. Diese fallen an, wenn Finanzminister Hans Eichel die fast 100 Milliarden aus der Versteigerung der Mobilfunklizenzen zur Schuldentilgung im Bundeshaushalt einsetzt.
Nun verlangt Merz, darüber hinauszugehen. Die eingesparten Zinsen, die sich aus geringeren Schulden des Bundes in Zukunft ergeben, will er gleich mit zur Schuldentilgung verwenden. Eine Idee, die aus dem Munde von Merz wie ein kleiner, böser Racheakt klingt. Würde nämlich auch die Zinseinsparung gänzlich zur Schuldentilgung verwendet, hätte Finanzminister Eichel ein Problem. Er müsste Berlin, Bremen und Brandenburg sagen: Vielen Dank für die Zustimmung zur Steuerreform – leider gibt’s dafür keinen Pfennig.
Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass Merz’ Vorschlag ernsthaft aufgegriffen wird. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Unmut über die Soloauftritte des Fraktionschefs in den eigenen Reihen zunimmt. Dafür gibt es eine Reihe von Anzeichen. Erst in der vergangenen Woche hatten mehrere Unionsvertreter genau das Gegenteil dessen gefordert, was Merz vorschwebt: Sie wollen, dass die Erlöse aus der UMTS-Versteigerung direkt zur Senkung von Steuern verwendet werden. Der Haushaltsexperte der Fraktion, Dietrich Austermann, meinte gar, schnellere Steuersenkungen seien besser als Schuldentilgung um jeden Preis.
Merz, die erste, aber offenbar sehr einsame Stimme an der Fraktionsspitze, scheint keinen Kontakt zu seinen Mitstreitern zu gewinnen. Umso näher fühlt er sich offenbar der Bundesbank. Dort nämlich wurde der Vorschlag zur radikalen Schuldentilgung Anfang der Woche geboren und verkündet. Bekanntlich hat die Union, wie alle Umfragen zeigen, zwei ureigene Kompetenzen an die SPD verloren: die der Finanz- und der Wirtschaftspolitik. Doch mit der Bundesbank als Kronzeugin ist Merz im innerparteilichen Streit um die UMTS-Erlöse kaum geholfen: Mit Anleihen bei anderen Größen hat noch niemand Autorität gewonnen.
SEVERIN WEILAND
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