UN-URTEIL WEGEN SEXUELLER VERSKLAVUNG IST ZU BEGRÜSSEN: Widersprüchliche Signale
Die Urteile, die das UN-Kriegsverbrechertribunal gestern gegen drei serbische Bosnier sprach, sollen nicht nur deren Verbrechen sühnen. Indem das Gericht in Den Haag sexuelle Versklavung als Verbrechen anerkannte, hat es auch eine langjährige Forderung von Frauen- und Menschenrechtlern erfüllt. Die Urteile helfen zudem, die Geschichte des Krieges in Exjugoslawien zu interpretieren. Denn mit den Schuldsprüchen steht nun gerichtlich fest: Mit Morden und Vergewaltigungen sollte die muslimische Mehrheitsbevölkerung Ostbosniens 1992/93 aus ihrer Heimat verjagt werden.
Die Aufdeckung der Untaten aller Seiten bietet die Chance für einen stabilen Frieden auf dem Balkan. Nicht Verdrängung und Verschleierung, sondern die gerichtlich verbürgte Gewissheit über Opfer und Täter entlastet die Überlebenden – und macht einen Neuanfang zwischen den Bevölkerungsgruppen überhaupt erst möglich. Das UN-Tribunal ist also nicht nur als juristische Instanz wichtig: Seine von keiner Seite zu beeinflussende Tätigkeit ist ein Baustein für die Zukunft.
Dass sich die Nationalisten aller Seiten von Den Haag auf die Füße getreten fühlen und sich dieser Instanz entledigen wollen, verwundert nicht. Die rechten Massendemos gegen die Auslieferung des kroatischen Generals und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Mirko Norac am vergangenen Wochenende zeigen erneut: Die Rechtsradikalen wollen sich nicht mit ihrer Schuld auseinander setzten. Angesichts dessen ist es ein schlechtes Zeichen, wenn die Den Haager Chefanklägerin Del Ponte dem rechten Druck jetzt nachgibt – und anbietet, den des 40-fachen Mordes verdächtigten Kroaten in Kroatien abzuurteilen.
Will das UN-Tribunal nun auch der serbischen Forderung, Expräsident Slobodan Milošević in Serbien abzuurteilen, entgegenkommen? Dass die Nationalisten Serbiens und Kroatiens gegenüber Den Haag an einem Strang ziehen, ist kein Geheimnis. Jede politische Taktik der internationalen Seite aber, jede Nachgiebigkeit gegenüber den Verantwortlichen für die Grausamkeiten, gefährdet den Friedensprozess. ERICH RATHFELDER
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