UN-Konferenz zum Waffenhandel: Löcheriges Abkommen zum Schluss
Die UN-Verhandlungen zur Regulierung und Reduzierung des weltweiten Waffenhandels sind quasi gescheitert. Der Schlussvertrag hat riesige Schlupflöcher.
GENF taz | Die New Yorker UN-Verhandlungen über ein globales Abkommen zur Regulierung und Begrenzung des Waffenhandels stehen vor dem Scheitern. Entweder gibt es bei der für Freitag vorgesehenen Schlussabstimmung nicht den für die Verabschiedung erforderlichen Konsens aller 193 Teilnehmerstaaten, oder es wird ein zahnloses Abkommen voller Schlupflöcher beschlossen.
Ein Abkommen, das der bestehenden Praxis des Waffenhandels mit all ihren negativen Auswirkungen auf Menschenrechte, das humanitäre Völkerrecht sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Empfängerländern „sogar noch ein legitimatorisches Mäntelchen verpassen würde“, wie in New York vertretene Nichtregierungsorganisationen befürchten. Der Entwurf für ein Abkommen wurde nach dreiwöchigen Verhandlungen am Dienstagabend veröffentlicht.
Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) äußerte ungewöhnlich deutliche Kritik: „Die wichtigsten Paragrafen des Vertragsentwurfs haben immer noch große Schlupflöcher; sie würden nur den Status quo bestätigen, anstatt einen hohen internationalen Standard zu setzen, der die Praxis der Staaten tatsächlich verändert und Leben rettet“, erklärte IKRK-Rüstungsexperte Peter Herby.
Laut dem Entwurf sollen nicht einmal alle konventionellen Großwaffensysteme unter das Abkommen fallen. Das hatten zu Beginn der Verhandlungen Anfang Juli noch über 80 Prozent aller Teilnehmerstaaten verlangt. Doch die USA setzten eine Ausnahme für unbemannte Drohnen durch.
Die USA an der Seite von Syrien, Iran und Kuba
Auf Verlangen der USA und einer Handvoll weiterer Staaten soll auch der Handel mit Munition für konventionelle Waffen nicht durch das Abkommen reguliert werden. Die USA, Russland und China verhinderten im Verein mit Ländern wie Syrien, Kuba und Iran zudem die Aufnahme verbindlicher menschen- und völkerrechtlicher sowie entwicklungspolitischer Kriterien, nach denen Waffenlieferungen künftig unterbleiben sollen.
Nicht einmal die völkerrechtlich verbindlichen Bestimmungen der Genfer Konventionen – zum Beispiel zum Verbot des Beschusses ziviler Ziele – wurden als Kriterien in den Entwurf aufgenommen. Zudem sollen zwischenstaatliche Verträge über Waffenlieferungen, die noch vor Verabschiedung des UNO-Abkommens abgeschlossen wurden, erfüllt werden dürfen, unabhängig davon, wie sich die Lage in dem Empfängerland inzwischen entwickelt hat.
„Laut dieser Bestimmung könnte Russland weiterhin Waffen und Munition an Syrien liefern, auch wenn die syrischen Regierungsstreitkräfte damit Massaker an der Bevölkerung begehen“, kritisierte Control Arms, das internationale „NGO-Netzwerk für einen wirkungsvollen Waffenhandelsvertrag“. Control Arms kritisiert auch die „völlig unzureichenden Vorschriften“ des Entwurfs für die Umsetzung und Überwachung eines Abkommens. Die Regierungen der Vertragsstaaten müssten sich zumindest dazu verpflichten, über ihre Genehmigungs- und Lieferpraxis regelmäßig öffentlich zu berichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance