UN-Klimakonferenz: Streit um frisches Klima-Geld
Es ist Halbzeit bei der UN-Klimakonferenz in Bonn: Verhandelt wird, wie die Entwicklungsländer an die zugesagten Soforthilfen kommen. Die EU will 7,55 Milliarden geben.
BONN taz | Bonn bewegt sich – jedenfalls ein bisschen. "Der größte Fortschritt auf der Klimakonferenz ist, dass über Inhalte geredet wird und nicht erst tagelang über die Verhandlungsprozedur", sagte Jan Kowalzig, Klimaexperte von Oxfam, auf der Klimakonferenz in Bonn am Freitag.
"Inhalte" heißt in erster Linie: Geld. Die Entwicklungsländer wollen wissen, wann und wie die in Kopenhagen versprochenen Soforthilfen ausgezahlt werden. Die Europäische Union hatte sich dazu am Donnerstag erklärt.
Von den 2,4 Milliarden Euro, die in Kopenhagen für 2010 zugesagt wurden, seien nun 2,39 Milliarden von den Mitgliedsländern bereitgestellt worden, sagte Artur Runge-Metzger, der für die EU-Kommission die Klimaverhandlungen führt. Insgesamt hatte die EU im Dezember letzten Jahres für den Zeitraum von 2010 bis 2012 rund 7,2 Milliarden Euro Klimasoforthilfen zugesagt. Immerhin seien es nun 7,55 Milliarden Euro geworden.
KlimaaktivistInnen berichten aus Bonn – von den UN-Klimazwischenverhandlungen, vom Alternativ-Gipfel, dem Klimacamp und den Protestaktionen – im Blog auf www.bewegung.taz.de
"Das einzig Neue war der Verwendungszweck", beurteilt Vanessa Bulkacz, Sprecherin des Climate Action Network, den EU-Vorstoß. Die EU will diese 7,55 Milliarden zu zwei Dritteln für Reduktionsmaßnahmen eingesetzt wissen, nur ein Drittel solle zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen herangezogen werden. Eine Bevormundung, wie es aus der Delegation der G 77 hieß.
Zudem sorgte die EU bei der "Zusätzlichkeit" für Verärgerung: Die Entwicklungsländer drängen darauf, dass die zugesagten Finanzhilfen "frisches Geld" sind, also keine Mittel, die ohnehin in der Finanzplanung der Industrieländer für den Süden enthalten sind. "Es gibt keine Definition für Zusätzlichkeit", erklärte dazu Artur Runge-Metzger.
Und genau das ist das Problem: Weil es keine gültigen Kriterien dafür gibt, könne jedes EU- Mitgliedsland machen, was es wolle, sagt Oxfam-Experte Kowalzig. "Die Niederlande sind das einzige Land, das tatsächlich zusätzlich Geld zur Verfügung stellt." Nicht nur Klimaschützer kritisieren das. "Es geht um Seriosität und Vertrauen der Entwicklungsländer in die Zusagen der Industrieländer", erklärte Jo Leinen (SPD), Vorsitzender des Umweltausschusses im Europäischen Parlament.
Bewegung gab es auch auf dem Gebiet des Waldmanagements. "Aber eine Bewegung in die falsche Richtung", kritisierte John Lanchbery, Klimaexperte von BirdLife International. Einige Industrieländer würden versuchen, die Emissionen aus der Waldnutzung hochzurechnen. Es geht um jenes Kohlendioxid, das durch Holzverbrennung frei wird: Die Industriestaaten weigern sich, das Jahr 1990 als Basisjahr – wie unter dem Dach des Kioto-Protokolls üblich – für die Bilanzierung anzuerkennen.
Während die Bewegung auf dem Verhandlungsparkett also allenfalls in Zeitlupe abläuft, formiert sich auf dem parallel stattfindenden Klimaforum der Protest. "Von den internationalen Verhandlungen können wir nicht mehr viel erwarten. Wir müssen deshalb selbst die Machtzentren der überkommenen Energie- und Klimapolitik angreifen", erklärte Alexis Passadakis von Attac, das gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) das alternative Forum organisiert.
Und BUND-Expertin Antje von Broock bilanziert: "Es gibt keinen Staat, der hier angereist ist mit einer klugen Idee, wie wieder Bewegung in das festgefahrene Spiel gebracht werden kann."
Allerdings ist auch der Protest noch nicht in großer Fahrt: Am Freitag blockierten rund 40 AktivistInnen symbolisch den Tagungsort der Diplomaten. Zuvor waren am Donnerstag rund 300 Fahrradfahrer als "Critical Mass" mit einer Fahrraddemonstration durch die frühere Hauptstadt gefahren.
Für den Samstagmittag planen Attac und BUND am Tagungsort eine weitere symbolische Blockade, für 13 Uhr ruft das Bündnis Klimawelle in Bonn zu einer Demonstration gegen die Untätigkeiten der Industriestaaten beim Klimaschutz auf.
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