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UN-Friedenstruppe in SomaliaSomalias Shabaab auf Taliban-Pfad

Nur Gespräche können Somalia befrieden. Amisom, die weltweit zweitgrößte internationale Friedenstruppe mit UN-Mandat, ist gescheitert.

Amisom, der Eingreif­truppe der Afrikanischen Union (AU) hier in Mogadischu Foto: imago images/ZUMA press

Brüssel taz | Was geschieht mit der glücklosen Amisom, der Eingreif­truppe der Afrikanischen Union (AU) in Somalia? Parallel zum laufenden AU-Sondergipfel in Niger haben die Amisom-Kommandanten in Somalias Hauptstadt Mogadischu ein Krisentreffen zur Einleitung ihrer „Exit Stra­tegy“ abgehalten.

„Wir haben uns zu gewissen Operationen verpflichtet, und es ist wichtig, dass wir Ergebnisse dieser Operationen sehen“, sagtƒe der zuständige AU-Sonderbeauftragte Francisco Madeira nach einem Bericht der ugandischen Zeitung New Vision zu Beginn des dreitägigen Treffens am Freitag. Uganda ist der größte Truppensteller der derzeit von Äthiopien geführten, 19.500 Mann starken Truppe, die Somalias international anerkannte Regierung gegen die islamistischen Shabaab-Rebellen schützen soll.

Als Amisom 2007 unter ugandischer Führung entstand, bezeichnete ein ugandischer General das Unterfangen bereits als „Mission Impossible“. Sie ist die weltweit zweitgrößte internationale Friedenstruppe mit UN-Mandat und diejenige mit dem höchsten Blutzoll: über 1.700 Gefallene, so der britische Politologe und Autor Paul Williams. Die Zukunft der vornehmlich von der EU finanzierten Mission ist unsicher, denn ihre Errungenschaften sind zweifelhaft.

Die Shabaab-Milizen hätten seit 2016 wieder an Terrain gewonnen, erfuhren EU-Militärexperten neulich bei einer Tagung in Brüssel. US-Luftangriffe auf Shabaab-Ziele in ländlichen Gebieten hätten die Islamisten dazu bewogen, ihre Angriffe auf Mogadischu zu intensivieren. Ein Anschlag auf ein Hotel in Kenias Hauptstadt Nairobi und die Ermordung des Hafendirektors von Bosasso, Hauptstadt der autonomen Region Puntland, zeugten von der Schlagkraft der Miliz.

Zu wenig Koordination

Der Brite Williams hält einen militärischen Sieg über die Shabaab für unmöglich. Auf lange Sicht müsse es Verhandlungen geben, so wie die USA sie mit Afghanistans Taliban führen – aber europäische Diplomaten hätten keine Kontakte zu den Shabaab. Und die wollen nicht verhandeln, weil Somalias Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed sehr schwach ist. Die Shabaab pflegen das Image einer nationalen Widerstandsbewegung gegen die Nachbarn Äthiopien und Kenia und die von diesen gestützte Regierung in Mogadischu.

Es besteht zu wenig Koordination zwischen den USA und Amisom, hörten die Militärexperten, und die afrikanische Truppe verfüge weder über eine Luftwaffe noch über eigene schnelle Eingreifkapazitäten. Die EU-Finanzierung für Amisom – sie dient vor allem dazu, die Soldaten zu bezahlen – wurde im Jahr 2016 um ein Fünftel gekürzt und das Geld in den Aufbau einer somalischen Regierungsarmee gesteckt.

Diese Somalia National Army (SNA) aber hat noch kaum etwas geleistet und Somalias Politiker sind sich uneins darüber, was sie tun soll. Lediglich im Shebelle-Flusstal, wo US-ausgebildete SNA-Kontingente mit US-Luftunterstützung im Einsatz sind, seien Erfolge sichtbar.

Amisom regelmäßig Ziel von Anschlägen

Kann die Amisom etwas verbessern? Wohl kaum in ihrer jetzigen Struktur. Die einzelnen nationalen Kontingente stehen unter nationalem Kommando, nicht unter dem der Amisom. Ihre Konvois werden systematisch Ziel von Anschlägen, ihre Kontingente kommunizieren nicht.

Uganda, aus eigener Sicht Führungsnation der Amisom, will die Hauptstadt Mogadischu allein kontrollieren und schickt die Burunder, die schlechter ausgerüstet sind, in den Busch, wo sie Ziele von Anschlägen werden – im April entgingen 200 burundische Soldaten nur knapp einer Bombe, die im Radiogerät ihres somalischen Übersetzers versteckt war und die zufällig in einem UN-Flugzeug entdeckt wurde.

Ebenso verfahren die Kenianer in der südsomalischen Hafenstadt Kismayo. Niemand in Somalia will das Amisom-Kontingent aus Äthiopien, dem historischen Erzfeind, bei sich haben, und die Soldaten aus Dschibuti weigern sich zu kämpfen.

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