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UN-Chef im GazastreifenMenschliches Leid beklagt

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon besuchte am Dienstag Gaza, um sich persönlich ein Bild von den Kriegsschäden zu machen. UNO und EU fordern die Öffnung der Grenzen.

"Es ist herzzerreißend, es ist schockierend, mir fehlen die Worte", sagt Ban vor den Trümmern des von Israel zerstörten UN-Lagerhauses in der Stadt Gaza. Bild: ap

BERLIN taz Die dreiwöchige israelische Offensive gegen den Gazastreifen hat Schäden in einer Gesamthöhe von rund zwei Milliarden Dollar verursacht. Nach einer ersten Erhebung gab die palästinensische Statistikbehörde (PCBS) am Dienstag bekannt, dass 22.000 öffentliche und private Gebäude beschädigt oder völlig zerstört worden sind, darunter 4.100 Wohnhäuser. Dies seien 14 Prozent aller Gebäude im Gazastreifen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon traf am Dienstag im Gazastreifen ein, um sich persönlich ein Bild von den Schäden zu machen. "Es ist herzzerreißend, es ist schockierend, mir fehlen die Worte", sagte Ban vor den Trümmern des von Israel zerstörten UN-Lagerhauses in der Stadt Gaza. "Ich habe nur einen Bruchteil der Zerstörungen und des menschlichen Leids gesehen, aber ich bin zutiefst traurig", fügte er hinzu.

Etwa 100.000 Menschen haben nach UN-Angaben in dem Krieg ihr Zuhause verloren und sind obdachlos geworden. Die Hälfte von ihnen hat Unterschlupf in Einrichtungen der UN-Agentur für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) gefunden. 400.000 Menschen haben immer noch kein Trinkwasser, wie der UN-Nothilfekoordinator John Holmes bekanntgab. Hunderttausende seien auch weiterhin ohne Strom. Einige Stadtbezirke im Gazastreifen seien völlig zerstört, in anderen flössen Abwässer in den Straßen. "Es mag noch unklar sein, wer in diesem Konflikt gewonnen hat", sagte Holmes, "aber es ist klar, wer ihn verloren hat, und das ist die Bevölkerung des Gazastreifens und in geringem Umfang auch die Bevölkerung im Süden Israels." Nicht explodierte Munition sei eine große Gefahr für die Bevölkerung. In Gaza-Stadt starben am Dienstag zwei Kinder, als sie mit Munition spielten. Die Zahl der Todesopfer steigt weiter an. Bis gestern wurden 1.414 Tote und rund 5.500 Verletzte gezählt. Der Leiter der palästinensischen Rettungsdienste in Gaza, Moawija Hassanein, sagte, dass die Rettungskräfte immer noch Tote aus den Trümmern bergen.

Während der Waffenstillstand, der am Sonntag jeweils einseitig von Israel und der Hamas erklärt worden war, andauerte und die israelische Armee ihren Abzug fortsetzte, forderte der UN-Beauftragte für den Gazastreifen die Öffnung von Grenzübergängen, um die Hilfstransporte zu ermöglichen. "Wir stehen vor der gewaltigen Aufgabe", sagte Ging, "aber ohne die Öffnung der Grenzübergänge ist gar nichts möglich." Dagegen erklärte Israels Außenministerin Zipi Livni, eine Öffnung der Grenzübergänge sei an die Freilassung des verschleppten israelischen Soldaten Gilad Shalit geknüpft. Das eine könne nicht getrennt von dem anderen betrachtet werden. Shalit war im Juni 2006 von der Hamas im Gazastreifen entführt worden.

Auch EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner erklärte am Dienstag in Brüssel, dass die Grenzübergänge geöffnet werden müssten, damit Hilfslieferungen an die leidende Bevölkerung verteilt werden könnten. Der Wiederaufbau im Gazastreifen solle aber erst angegangen werden, wenn dort wieder "stabile politische Verhältnisse" herrschten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat einen Arbeitsplan vorgelegt, laut dem zuerst Medikamente, Lebensmittel und Treibstoff nach Gaza gebracht werden sollen. Im nächsten Schritt solle der Waffenschmuggel unterbunden werden.

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9 Kommentare

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  • B
    BavarianSchnauze

    Die israelische Zeitung Haaretz fordert Untersuchungen wegen evtl Kriegsverbrechen des israelischen Militärs. Sitzen da 'Antisemiten' in der Redaktion?

    Sollten Ermittlungen aufgenommen werden, muß auch ggen Merkel ermittelt werden.

    Übrigens: es ist möglich, Israels Politik zu verurteilen;es ist zugleich auch möglich, das Verhalten der Hamas zu kritisieren.

  • A
    Axel

    "Bereits über 120 französische Organisationen unterstützen den Antrag an Präsident Nicolas Sarkozy, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza gegen führende israelische Politiker fordert. Namentlich genannt werden dabei der israelische Präsident Schimon Peres, Ministerpräsident Ehud Olmert, Außenministerin Zipi Livni und Verteidigungsminister Ehud Barak...."

    Junge Welt

  • M
    Marianne

    Ich bin zutiefst traurig & entsetzt,eigentlich stehe ich immer noch unter Schock!Was sich da vor unseren Augen abspielte,war die Fortsetzung von Afghanistan,Irak,Libanon,geschickt gemacht..Wer hat sich nur diesen passenden Zeitpunkt ausgesucht? Und nun einmal Obama & alles wisch & weg? Danke, an die TAZ,im Tagesspiegel fand ich heute gar nichts mehr& ich glaube,die Berl.Zeitung ist auch nicht besser... Danke Naalso,für den Kommentar! Ich weiß nur eines: not in my name!!!!!!!!!!!!!!1

  • N
    Naalso

    Israel hat jetzt Angst, dass die führenden Militärs als Kriegsverbrecher angeklagt werden. Deshalb dürfen Namen von Militärs nicht mehr veröffentlicht werden. Naja, wenigstens kennt man Bush, Olmert, Barak und Livni;die gehören auch wegen anhaltender Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzung und Kriegsverbrechen vor Gericht, nicht nur irgendwelche Leute aus Serbien, Ruanda, Sudan...Ist Livni nicht grad in Europa? Also, Festnehmen! Und Merkel wegen Beihilfe anklagen!

  • HP
    hoffnungsloser Pessimist

    Es ist erschtaunlich , daß die UNo sich meldet. Wo war sie 22 Tage?

    Hat die UNO etwa die Aufgabe Leichen zu zählen?

    Hat die UNO jetzt ergend eine Berechtigung etwas zu machen?

    Wo war die UNO im Irakkrieg?

    Wo war sie im Kosovokreig?

    Wo war sie im Libanonkrieg 2006?

    Ich denke, dass wir uns an eine Weltohne UNO gewöhnen müssen.

  • M
    Mariandl

    @Berliner Schnauze: Zitat "Weiss man in Deutschland und anderswo, dass durch Selbstmordattentate und Raketenbeschuss in Israel tausende seit 2000 umgekommen sind?"

    Sie haben mit manchem schon recht. Was allerdings diesen zitierten Satz und auch das mit Hamas und den Zivilisten betrifft, sollten Sie sich besser informieren!

  • JG
    Jürgen Goller

    Mir fehlen die Worte...

    Stabile politische Verhältnisse? Darf Israel so lange bomben bis die palestinensische Bevölkerung eine der Welt genehme Regierung wählt?

    Da können die Waffenhändler aber beruhigt schlafen.

  • BS
    Berliner Schnauze

    Irgendwie drängt sich mir hier mehr als nur der Verdacht auf, dass das ganze Statement der UNO und der Politiker mehr als aufgesetzt wirkt. Ich bestreite nicht, dass durch den Krieg Zivilisten ums Leben gekommen sind und beschönige es ebenso wenig. Es ist extrem schwierig, Hamas Kämpfer zu bekämpfen, die sich unter Menschen mischen mit dem Kalkül, wenn sie angegriffen werden, dass dann auch Zivilisten ums Leben kommen. Der mediale Aufschrei ist ihnen gewiss und die eigentliche Schlacht gewonnen.

     

    Warum glaube ich, dass das Statement aufgesetzt ist und die Betroffenheit gespielt? Weil mit zweierlei Maß gemessen wird.

    Anderswo in der Region passieren tagtäglich Tragödien ganz anderen Ausmaßes und es lässt die gleichen Leute über ganz andere Zeiträume kalt. Kein Presseerklärung, keine Pendeldiplomatie, kaum eine Resolution im Sicherheitsrat zu den Menschenrechtsverletzungen im Sudan, die nun schon Jahrzehnte andauern. Kein Wort wurde verloren zu Massakern an Palästinensern in Syrien und Jordanien, als diese geschahen. Was Menschenrechtsverletzungen angeht in Ländern wie China, Birma, Iran, Nordkorea, Saudi-Arabien, Pakistan und anderswo ist uninteressant. Kriege anderswo stehen nicht so im Medienfokus. Aber wenn Israel in den Krieg zieht, dann werden die Kameras gezückt, die Bleistifte gespitzt und Al-Dschsirah hetzt gegen den Judenstaat bis der Arzt kommt. Komische, sonderbare Welt in der ich lebe. Weiss man in Deutschland und anderswo, dass durch Selbstmordattentate und Raketenbeschuss in Israel tausende seit 2000 umgekommen sind? Man wird nie Leid gegenüber Leid aufrechnen können, sollte allerdings auch immer die Relation sehen - und genau das wird hier vergessen.

  • HR
    Helmut Ruch

    Selbst der Stern titelt:

    UN-Chef schockiert über zerstörtes Gaza

    In der taz heist es:

    Menschliches Leid beklagt

    Wie korrupt kann eine ehemals linke Zeitung werden?