piwik no script img

UN-Bericht zu SyrienWeltkulturerbe in Gefahr

Der Bürgerkrieg in Syrien hat laut UN bislang fast 300 historische Gebäude zerstört oder beschädigt. Besonders betroffen ist Aleppo.

Von Rebellen genutzt: die Mittelalterliche Burg Crac de Chevalliers in Syrien. Bild: ap

BERLIN taz | Aleppo, die einstige Wirtschaftsmetropole im Norden Syriens, mit seiner Zitadelle, der Omayaden-Moschee und den auf eine Länge von etwa sieben Kilometern überdachten Basaren aus dem 16. Jahrhundert ist die am meisten von den Kämpfen in Mitleidenschaft gezogene Großstadt des Landes. Die Altstadt von Aleppo, das auf eine 7.000-jährige Geschichte zurückblickt, steht seit 1986 auf der UN-Liste des Weltkulturerbes und seit 2013 auf der Liste des gefährdeten Weltkulturerbes.

Am Dienstag hat die UNO einen 179-seitigen Bericht mit dem Titel „Satellitengestützte Schadensauswertung der Stätten des syrischen Kulturerbes“ vorgelegt, der unter anderem die Zerstörungen von Kulturgütern der Stadt beschreibt. Demnach wurden 135 historische Gebäude durch Kämpfe und Brände zerstört oder beschädigt. Das Minarett der Omayaden-Moschee steht nicht mehr, die äußeren Mauern sind zum Teil stark beschädigt, und der Marmorboden des geräumigen Innenhofs, dessen schwarze und weiße Fliesen Besucher zum Eingang des Gebetsraums lenkten, sind ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. Beschädigt sind auch die Zitadelle, die Außenmauern der Altstadt und 34 der 45 Basare.

Dies hat Unosat durch die Analyse von Satellitenaufnahmen ermittelt. Das im Jahr 2000 im Rahmen des UN-Instituts für Training und Forschung ins Leben gerufene Programm wertet Satellitenaufnahmen für Friedenssicherung, Hilfsorganisationen und Entwicklungshilfe aus. Seit Beginn des Bürgerkrieges Ende 2012/Anfang 2013 hat Unosat Analysen etwa für humanitäre Hilfsaktionen erstellt und Zerstörungen dokumentiert. Angesichts der kulturellen Bedeutung der syrischen historischen Stätten hat Unosat nun einen gesonderten Bericht über deren Zustand veröffentlicht.

In den 18 im ganzen Land ausgewählten Regionen hat Unosat 290 Stätten ausgemacht, die in den vergangenen drei Jahren direkt von den Kämpfen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Davon wurden 24 zerstört, 104 schwer beschädigt, 85 leichter beschädigt und 77 vermutlich beschädigt. Letzteres bezieht sich darauf, dass bei den Luftaufnahmen keine direkten Schäden zu erkennen sind, aber in der Umgebung Trümmer liegen.

Schwierige Recherche

Mit den 135 zerstörten oder beschädigten Gebäuden liegt Aleppo an der Spitze; in der Hauptstadt Damaskus sind es 29, in Ebla, das seit dem 4. Jahrtausend v. d. Z. besiedelt ist und wo ein Archiv mit 14.000 Tontafeln gefunden wurde, wurden die Wissenschaftler in 22 Fällen fündig.

Die Autoren halten ihre Analyse für konservativ, da beispielsweise Schäden an Wänden aus der Luft schwer zu erkennen sind. Sie weisen darauf hin, dass es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, ist, mit klassischer Recherche vor Ort nach Beweisen für Zerstörungen zu suchen. Manche Orte könnten wegen der Kämpfe nicht erreicht werden, andere werden von terroristischen Gruppen kontrolliert, und Syrer riskieren ihr Leben, wenn sie Informationen an internationale Organisationen weitergeben. Aus diesen Gründen, so die Autoren weiter, sind die Satellitentechnologie und die detaillierte Auswertung von Fotos entscheidend, um den Zustand des kulturellen Erbes in Syrien und dem Irak zu bewerten.

Von den Zerstörungen betroffen sind nicht nur Kulturgüter aus der islamischen Periode, sondern auch Kirchen, eine Synagoge in Aleppo sowie die größte Kreuzritterburg Krak des Chevaliers (der arabische Name, Kallat al-Hosn, bedeutet: „die uneinnehmbare Festung“). Sie liegt in den Bergen westlich der zentralsyrischen Stadt Homs und wurde 1271 nach zahlreichen Belagerungsversuchen von den Mameluken erobert. Die Burg wurde im Zuge von Kämpfen zwischen Aufständischen und den Regierungstruppen schwer beschädigt und mehrfach von der Luftwaffe bombardiert.

Alarmierendes Zeugnis

In Damaskus, das seit 2013 auf der Liste des gefährdeten Weltkulturerbes steht, wurde unter anderem das christliche Viertel in Mitleidenschaft gezogen. Mehrere Stadttore, die armenisch-orthodoxe und die griechisch-orthodoxe Kirche wurden bei Explosionen beschädigt.

„Kultur steht in der vordersten Linie bei Konflikten, die die Geschichte, Traditionen und die kollektive Erinnerung ganzer Bevölkerungen betreffen“, heißt es in dem UN-Bericht. Er ist ein alarmierendes Zeugnis dessen, was gegenwärtig mit dem syrischen kulturellen Erbe geschieht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • in jedem Krieg werden Gebäude / Häuser, Denkmäler zerstört, der Bombe ist das egal, wohin sie fällt !