UN-Bericht zu Mali: Hochzeit mit 22 Toten
Frankreichs Truppen sollen eine Hochzeitsgesellschaft in Mali bombardiert haben, sagt ein UN-Bericht. Er kritisiert den „Bruch des Völkerrechts“.
Frankreichs Regierung widersprach und sagte, ein französisches Mirage-Kampfflugzeug habe aus großer Höhe eine zuvor ausgespähte Versammlung von Dschihadisten der islamistischen Untergrundgruppe „Katiba Serma“ bombardiert. Der Vorfall löste große Empörung in Mali aus.
Nun hat die UN-Mission in Mali (Minusma) die lokale Version bestätigt. Der französische Luftangriff habe eine Hochzeitsgesellschaft getroffen und „mindestens 22 Personen“ getötet, davon 19 unmittelbar. Drei Verletzte starben später. 19 Tote seien Zivilisten gewesen, drei waren mutmaßliche Angehörige der islamistischen Zelle „Katiba Serma“.
Dem Bericht zufolge wurde die Hochzeitsgesellschaft nachmittags getroffen, als sich die rund 100 Männer getrennt von den Frauen aufhielten, welche gemeinsam das Hochzeitsmahl vorbereiteten. Fünf Teilnehmer seien mutmaßliche Angehörige der „Katiba Serma“ gewesen, einer trug offen eine Waffe. Seine Anwesenheit sei wohl der Grund für den Angriff gewesen, wird ein Zeuge zitiert.
Eindeutiger Schluss
Der UN-Bericht kommt zu einem eindeutigen Schluss: Der Angriff sei illegal gewesen, da nicht verhältnismäßig und auch, weil er sich gegen Zivilisten richtete. „Außerdem reicht der Umstand, dass eine gewisse Anzahl erwachsener Männer sich im Aktivitätsgebiet einer bewaffneten Gruppe oder ohne Frauen und Kinder versammelt, nicht zur Feststellung aus, wer einer bewaffneten Gruppe angehört, oder dass keine Zivilisten anwesend sind“, so das UN-Team. „Ein Targeting auf dieser Grundlage wäre mit dem Völkerrecht unvereinbar.“ Empfohlen wird die Ermittlung der Verantwortlichen sowie Schadenersatz für die Opfer.
In außergewöhnlich scharfen Tönen hat Frankreichs Verteidigungsministerium all dies zurückgewiesen und dem UN-Team Unfähigkeit vorgeworfen. Man habe den Angriff selbst untersucht und man sei sich ganz sicher, dass der Luftangriff „eine als solche identifizierte terroristische Gruppe“ getroffen habe. „Der Bericht“, heißt es zur UN-Untersuchung, „geht davon aus, dass anonyme Zeugenaussagen von Individuen, deren Interessen und Loyalitäten unbekannt sind, eine gleichwertige Glaubwürdigkeit zu einer rigorosen Aufklärungs- und Einsatzmethodik besitzen.“
Die Unterstellung der Unseriosität wird vom UN-Bericht nicht gedeckt. Dort wird ausgeführt, die Untersuchung sei nach international geltenden Standards geführt worden, unter Wahrung aller für den Zeugenschutz und die Gewährleistung einer von Druck freien Aussage nötigen Vorkehrungen und mit Überprüfung aller erhaltenen Informationen. Das UN-Team besuchte den Tatort, interviewte über mehrere Wochen mehrere Hundert Menschen und besichtigte die Grabstelle der Toten.
Minusma-Kriminaltechniker untersuchten die bombardierte Stelle. Da die Untersuchung „in einem Klima des medialen und politischen Drucks“ stattfand, habe man besondere Sorgfalt walten lassen. Einem britischen Zeitungsbericht zufolge wurde der Vorwurf eines Kriegsverbrechens auf französischen Druck aus dem Berichtsentwurf entfernt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“