UN-Bericht zu Klimawandel und Corona: 1,5 Grad Erwärmung bald erreicht
Es wird heißer und gefährlicher, bestätigt ein neuer UN-Bericht. Die Coronapandemie erzeuge Datenlücken und erschwere so den Klimaschutz.
![Landschaftsaufnahme: Meer, Berge, Gletscher Landschaftsaufnahme: Meer, Berge, Gletscher](https://taz.de/picture/4368074/14/ERderwarmung-Klimawandel-Coronakrise-1.jpeg)
Das ist das Fazit eines neuen Berichts von UN-Organisationen und Thinktanks, der am Mittwoch von UN-Generalsekretär Antonio Guterres vorgestellt wird. Die Studie „United in Science“ fasst die aktuellsten Daten zusammen und soll Druck auf die Staaten ausüben, die sich ab der kommenden Woche zur UN-Generalversammlung in New York treffen und über die Problematik zu beraten.
„Die Covid-19-Pandemie hat weltweit das Leben aus der Bahn geworfen“, sagte Guterres. „Gleichzeitig haben die Erderhitzung und die Zerstörung des Klimas ihre Geschwindigkeit beibehalten. Wir müssen den Wiederaufbau nach der Pandemie in eine echte Gelegenheit für eine bessere Zukunft verwandeln. Wir brauchen Wissenschaft, Solidarität und Lösungen.“
Die Studie wurde von der UN-Organisationen für Meteorologie (WMO) erstellt, sie stützt sich auf Daten der UN-Behörden für Umwelt (Unep) und Bildung (Unesco), des Thinktanks Carbon Tracker, der britischen Behörde UK Met Office und des UN-Weltklimarats IPCC.
Neuer Höchststand von CO2-Konzentration
Demnach ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf den neuen Höchststand von 410 bis 414 ppm (Teile pro Million) gestiegen. Der Ausstoß von Kohlendioxid und Methan (etwa aus der Landwirtschaft und der Gasindustrie) sei „nicht auf Kurs zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens.“
Trotz des Rekordeinbruchs der CO2-Emissionen um 17 Prozent im April und eines erwarteten Rückgangs von 4 bis 7 Prozent für das gesamte Jahr reicht das CO2 in der Atmosphäre für neue Höchststände: Die Periode von 2016 bis 2020 werde die wärmste Fünfjahresspanne seit Beginn der Aufzeichnungen, hieß es.
Um die Erwärmung bis 2100 bei 1,5 Grad zu stoppen, müssten die Emissionen nach Berechnungen des “UNEP Emissions Gap Report“ im kommenden Jahrzehnt jedes Jahr um 7 Prozent sinken – also zehnmal das schaffen, was im Krisenjahr 2020 erwartet wird. Das sei immer noch möglich, erfordere aber „dringende und konzertierte Aktionen von allen Staaten in allen Bereichen“, hieß es.
„Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, die bereits das höchste Niveau seit drei Millionen Jahren erreicht hat, steigt weiterhin“, warnte WMO-Chef Petteri Taalas. „Während viele Aspekte unseres Lebens 2020 durcheinandergeraten sind, geht der Klimawandel ungebrochen weiter.“
1,5 Grad Erwärmung rücken gefährlich nahe
Die Obergrenze von 1,5 Grad Erwärmung (bisher sind global 1,1 Grad erreicht) rücke gefährlich nahe, warnt die Studie: Mit einer Chance von 24 Prozent werde eines der nächsten fünf Jahre im globalen Mittel um 1,5 Grad wärmer sein als zu vorindustriellen Zeiten im 19. Jahrhundert. Es sei sogar zu mehr als 70 Prozent wahrscheinlich, dass „einer oder mehrere Monate“ in den nächsten Jahren diese Grenze erreiche, die im Pariser Abkommen als anzustrebendes Ziel für 2100 formuliert wurde.
Die Folgen der rapiden Erhitzung zeigten sich überall auf der Welt in allen Klimazonen, betont der Bericht. Eisflächen schmelzen, das arktische Seeeis zeigt das ganze Jahr über Rekordniedrigstände. Die Weltmeere, die bisher 90 Prozent der zusätzlichen Erwärmung geschluckt haben, steigen immer schneller an, Hitzewellen in den Ozeanen bedrohen Tiere und Pflanzen. Schmelzendes Gletschereis gefährdet langfristig die Wasserversorgung etwa in Zentralasien. Aber auch in Mitteleuropa sei der „Wasser-Peak“ erreicht – der Nachschub für das lebenswichtige Nass werde weniger.
Die Coronakrise habe auch die Klimawissenschaften hart getroffen, heißt es. Die Messungen von Luft und Wasser durch Linienflugzeuge und Frachtschiffe seien drastisch zurückgegangen, Forschungsschiffe wurden in Häfen beordert, größere Experimente abgebrochen. Wo Instrumente nicht automatisch, sondern von Menschen abgelesen und gewartet werden, wie in vielen Gebieten Afrikas und Südamerikas, entstünden „große Datenlücken in den historischen Zeitlinien“
Schon vorher hatte der Klimarat IPCC angekündigt, die Veröffentlichung seines 6. Sachstandsbericht wegen der Coronapandemie zu verschieben. Weil Treffen der Autorenteams verlegt wurden und einzelne WissenschaftlerInnen vor allem aus Schwellenländern verhindert sind, wurden die Abschlussberichte um mehrere Monate verlegt. Der Bericht über Gegenmaßnahmen etwa kommt damit zu spät für die ebenfalls verschobene Klimakonferenz, die nun in Glasgow im November 2021 stattfinden soll.
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