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UN-Artenschutzkonferenz in KolumbienWo die Welt ihr Leben retten will

In Cali soll die UN-Artenschutzkonferenz das globale Artensterben aufhalten. Was dem im Weg steht, wissen die Be­woh­ne­r:in­nen der Stadt nur zu gut.

Blick auf das Stadtzentrum von Cali in Kolumbien Foto: Oscar Garces/Getty Images

Bogotá taz | Erst im Februar verkündete der kolumbianische Präsident Gustavo Petro: Cali wird’s, die Millionenmetropole soll die UN-Artenschutzkonferenz ausrichten. „Die Pazifik-Region ist eine Macht der natürlichen und menschlichen Vielfalt mit einer reichen Geschichte. Sie bietet Kolumbien die Möglichkeit zu zeigen, warum es das Land der Schönheit ist“, sagte Petro damals. „Dies ist auch eine Gelegenheit, Wunden zu heilen, einen Sozialpakt zu schließen und die Augen der Welt auf den Pazifik, seine Regionen und Konflikte zu richten.“ Natürliche Vielfalt, reiche Geschichte, zahlreiche Wunden: In Cali prallen Umweltschutz, soziale Fragen und politische Konflikte immer wieder aufeinander. Politiker*innen, Ak­ti­vis­t*in­nen und Unternehmen verhandeln über Artenschutz dort, wo er besonders schwierig ist.

Die Stadt liegt zwar nicht am Meer, gilt aber als Hauptstadt des Pazifiks in Kolumbien. Die Region ist traumhaft schön, aber auch vom Staat chronisch vernachlässigt. Illegaler Bergbau, Abholzung und bewaffnete Drogenbanden bedrohen das Naturparadies und die Menschen dort. Hier lebt vor allem die afrokolumbianische Bevölkerung, Nachfahren der Menschen, die nach Amerika verschleppt und versklavt wurden.

Cali ist mit knapp 2,3 Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen die drittgrößte Stadt Kolumbiens. Und die Stadt mit dem höchsten Anteil an Afro­ko­lum­bia­ne­r:in­nen. Viele flohen vor der Gewalt in ihren Pazifik-Heimatregionen hierher. Kolumbiens erste schwarze Vizepräsidentin, Francia Márquez, ist eine von ihnen. Andere sind auf der Suche nach Chancen. Viele leben bis heute in Stadtteilen ohne Telefon und geteerte Straßen.

2021 war Cali das Zentrum der sozialen Proteste gegen die rechte Regierung. Hier benannten vor allem junge Menschen Plätze um, errichteten Blockaden, stürzten gemeinsam mit Indigenen eine Statue eines Mörders aus der Kolonialzeit, machten aus Polizeistationen Bibliotheken. Ohne diese Proteste wäre Gustavo Petro wohl nicht Kolumbiens erster linker Präsident geworden.

Cali liegt inmitten von Extremen

Aber hier töteten die Sicherheitskräfte auch die meisten Demonstrant:innen. Als ein indigener Protestzug eintraf, taten sich in einem reichen Viertel An­woh­ne­r:in­nen und Polizei zusammen. Ein Zivilist, der sich mit seiner Schusswaffe neben die Polizei stellte und schoss, ist heute Stadtrat. Cali grenzt an die Region Cauca, die bis heute gewaltgebeutelt ist. In Cauca werden überdurchschnittlich viele indigene Um­welt­schüt­ze­r:in­nen und Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­r:in­nen ermordet. Die Stadt selbst ist eng verknüpft mit dem gleichnamigen Cali-Kartell. Das gibt es längst nicht mehr, doch Gewalt und Kriminalität sind geblieben, vor allem wegen des Drogenhandels. Während der COP sind etwa 12.000 Sicherheitskräfte im Einsatz.

Cali liegt inmitten von Extremen. Wer vom Flughafen Richtung Stadt kommt, sieht von Zuckerrohrmonokulturen überpflanztes plattes Land. Just dieses Jahr, im Jahr der Artenschutzkonferenz, wollten mehrere Bürgermeister und eine Gouverneurin diese Monokultur zur idyllischen „Kulturlandschaft des Zuckerrohrs“ erklären. Bei der Unesco landete der Vorschlag nie – zu heftig der Gegenwind, die Debatte um Umweltschutz und Versklavung, mit der alles begann.

Das Zuckerrohr ist die eine Seite. Auf der anderen sind Berge und Pazifik. Der gebirgige Nationalpark Los Farallones liegt in direkter Nachbarschaft. Dort läuft parallel zur COP ein Polizeieinsatz gegen illegalen Bergbau.

Cali ist umgeben von der biogeografischen Chocó-Region. Die ist deutlich größer als das gleichnamige kolumbianische Departamento und reicht von Panama bis Nordperu die ganze Pazifikküste entlang. Sie ist ein Biodiversitäts-Hotspot. Mit über 560 Arten ist Cali die „Stadt der Vögel“. Andere prominente Arten sind der „Schickimickifrosch“ und eine Horde knallbunter Katzen, die am Fluss in der Stadtmitte leben.

Die Konferenz findet gar nicht direkt in Cali statt

Dieser Fluss ist wohl der einzige in einer kolumbianischen Großstadt, an dem man gern spazieren geht, weil er kein stinkender Abwasserkanal ist. Der Fluss ist Teil einer grünen Zone, der „COP fürs Volk“, mit Konzerten, Ausstellungen, Workshops, Ständen von Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, Zivilgesellschaft.

Die blaue Zone, wo die Po­li­ti­ke­r:in­nen der UN-Mitgliedsstaaten um den Schutz der Arten ringen, ist tatsächlich gar nicht in Cali. Das Veranstaltungszen­trum Valle del Pacífico befindet sich in der Nachbarstadt Yumbo, auf halbem Weg zum Flughafen.

Die Hotels in Cali sind jedenfalls wegen der Konferenz zu 99 Prozent ausgelastet. Deshalb sind AirBnbs und sogar die Motels „hergerichtet“ worden, um internationale Delegationen aufzunehmen. Wo sonst in exotischer Kulisse Paare ihr Liebesleben befeuern oder einander betrügen, sollen sie bis zum 1. November möglichst fruchtbar schlummern.

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