piwik no script img

U17-WM in IndienKleiner Lichtblick in der Dunkelheit

Bei der U17-WM in Indien bleibt die große Begeisterung für den Fußball aus. Der einzige Treffer des Gastgebers wird jedoch gebührend gefeiert.

Spieler aus Mali freuen sich nach dem Viertelfinalsieg gegen Ghana Foto: dpa

Neu-Delhi taz | „#FootballTakesOver“ steht auf einem großen Plakat im Zentrum der indischen Hauptstadt. Dass es dabei um die U17-WM geht, die derzeit im Lande ausgetragen wird, wird erst beim zweiten Blick auf das Tiger-Maskottchen „Kheleo“ klar.

Fußball hat hier einen schweren Stand. Indien ist Cricket-Nation. Da kommen auch Werbe­tafeln nicht dagegen an. „Ich habe bei ein paar Spielübertragungen reingeschaut“, sagt Omar, 23, der nur ein paar Kilometer vom Jawaharlal-Nehru-Stadion entfernt, in dem Indien Ghana unterlag und schon in der Vorrunde ausschied, als Straßenhändler arbeitet. Ein paar Fans in Fußballtrikots habe er gesehen, erzählt Omar, doch sonst beschäftige er sich eher weniger mit dem Turnier.

„Die U17-Weltmeisterschaft ist eine gute Chance“, sagt der Fotograf Prashant Nakwe, der bei den Spielen auch beruflich im Einsatz ist. Die jüngere Generation spreche mehr über Fußball als über Cricket. Doch in der Wahrnehmung von Fußballfans sei die Champions League in Europa präsenter als die WM der Junioren. Nakwe ist aber überzeugt: „Fußball findet langsam Anklang.“

Sichtbar in der Öffentlichkeit ist er in Metropolen wie Mumbai, Chennai oder Neu-Delhi wenig. Vor dem Jawaharlal-Nehru-Stadion in Indiens Hauptstadt sieht man an spielfreien Tagen Leichtathleten, aber keine Nachwuchsfußballer. Und auch in Mumbai sind die großen „Gymkhana“ und Plätze für Cricket oder Pferderennen vorbehalten.

Tickets für 200 Rupien

„In Goa waren bei den Spielen am 7. und 13. Oktober vielleicht tausend Leute da, das war schon sehr dürftig“, erinnert sich Nakwe, der dort bei den Deutschlandspielen fotografierte. Gewundert habe ihn das geringe Interesse schon. An den Ticketpreisen mit 200 Rupien, umgerechnet 2,60 Euro, ist es gewiss nicht gescheitert. „Goa ist eigentlich bekannt als Staat, der sportbegeistert ist. Sie haben eigene Fußballklubs und eine Fußballkultur“, vielleicht nicht so ausgeprägt, wie in Kalkutta, doch sie sei da, ergänzt Nakwe.

Fußball in Indien hat seine Zentren: West-Bengal und Assam im Nordosten, Goa und Maharashtra an der Westküste, im Süden Kerala und mit Einschränkung im Norden mit Delhi. Damit verteilen sie sich wie ein Flickenteppich über den Subkontinent. Und entsprechend sind auch die Spielstätten dieser WM verteilt.

Eine besondere Rolle spielt Kalkutta. Hier findet nicht nur das Finale am 28. Oktober statt. Ein Mitglied der All India Football Federation (AIFF) erklärt: „Die drei großen indischen Fußballklubs sind Mohun Bagan AC, East Bengal FC und Mohammedan Sporting Club.“ Es sind Klubs mit einer hundertjährigen Geschichte, allesamt aus Kalkutta. Hinzu kommt in der Stadt der mithilfe von Atlético Madrid im Jahre 2014 neu gegründete Verein Atlético Kolkata, Gründungsmitglied der ebenfalls 2014 entstandenen Indian Super League (ISL).

Drei Niederlagen in drei Spielen

Die ISL wurde geschaffen, um dem indischen Fußball einen Entwicklungs­impuls zu geben. Dabei mischten auch ehemalige Cricket-Profis als Finanziers der neuen Vereine mit. Bekannte europäische Profis wie Arne Friedrich (Hertha BSC) oder der französische Nationalspieler David Trézéguet wurden damals verpflichtet.

Bei der derzeit stattfindenden WM sorgte besonders ein Spieler für Schlagzeilen. Der 16-jährige Jeakson Sigh Thounaojam schaffte es als Torschütze des einzigen indischen Treffers dieser WM auf das Cover von Outlook. Das Wochenmagazin – mit einer Auflage von über 400.000 – titelte „Ein guter Schuss in der Dunkelheit“. Das vom Portugiesen Luis Norton de Matos betreute Team schied mit drei Niederlagen in drei Spielen dann aber sang- und klanglos aus.

Das Finale der U17-WM ist zwar ausverkauft, doch bis zu #FootballTakesOver in Indien wird es noch dauern. Nachdem Indien 1950 als Nachrücker eine Einladung zur WM der Männer nach Brasilien ausschlug, weil der Weltverband das Barfußspielen kurz zuvor verboten hatte, schaffte man es nicht mehr auf die große Bühne. Auch bei der Qualifikation für die WM 2018 in Russland scheiterte Indien wieder als Letzter in der Gruppe hinter Guam.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...vielleicht sollte man die indischen Kinder, die es laut Regierung dort eigentlich nicht gibt, für Fußball interessieren und durch Fußball fördern?