U-Ausschuss zur Berateraffäre: Diensthandy-Odyssee geht weiter
Der Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre wird überlagert vom Diensthandy Von der Leyens. Gelöschte SMS erschweren die Aufklärungsarbeit.
Als erste Zeugin des Tages sagt die frühere Unternehmensberaterin aus. Neun Jahre lang arbeitete sie für McKinsey, 2017 wechselte sie dann ins Verteidigungsministerium und war fortan dort für die Zusammenarbeit mit externen Berater*innen zuständig.
Wie im Ministerium Beratungs- von Unterstützungsleistungen abgegrenzt wurden, wollen die Abgeordneten von ihr wissen. Für beides kann die Regierung externe Firmen engagieren, für beides gelten aber unterschiedliche rechtliche Vorgaben. Zeugin Petrick ist gut vorbereitet, sie zitiert aus Geschäftsordnungen, Richtlinien und Dienstvorschriften.
Als sie sich gerade warmgeredet hat, schellt im Sitzungssaal eine Glocke: Im Plenum steht eine Abstimmung an, die Abgeordneten müssen rüber, die Sitzung wird zum ersten Mal am Tag unterbrochen. Es wird sich mal wieder ziehen heute. U-Ausschuss-Alltag.
In der Befragung geht es um das eigentliche Kernthema des Ausschusses, der seit fast einem Jahr ermittelt: Das Verteidigungsministerium hat unter der ehemaligen Ministerin Ursula von der Leyen massenhaft Aufträge an Unternehmensberatungen vergeben. An Vergaberichtlinien hat es sich dabei offenbar nicht immer gehalten. Und als Grund dafür steht der Verdacht der Vetternwirtschaft im Raum: Haben Führungskräfte wie die damalige Staatssekretärin Katrin Suder, ebenfalls eine ehemalige McKinsey-Frau, bei lukrativen Aufträgen ihre Bekannten begünstigt?
Überlagert von der Handy-Frage
Abschließend beantwortet ist die Frage bisher nicht. Überlagert wurde sie zuletzt aber ohnehin von einer anderen, ziemlich brisanten und für die Opposition dankbarerweise einfach zu skandalisierenden: Haben von der Leyen oder andere im Ministerium Daten vernichtet, um den Abgeordneten ihre Untersuchungen zu erschweren?
Der Ausschuss hatte schon sehr früh beantragt, den SMS-Verkehr der ehemaligen Ministerin und heutigen EU-Kommissionschefin sichten und darin nach Spuren verbotenen Geschäfte suchen zu dürfen. Zunächst wurden die Abgeordneten lange vertröstet: Erst sagte ihnen das Ministerium, das verschlüsselungsfähige Handy von der Leyens sei nicht auffindbar. Später erzählte es ihnen, niemand kenne die PIN-Nummer.
Kurz vor Weihnachten rückte das Ministerium mit einer neuen Version heraus: von der Leyen habe zwei verschiedene Diensthandys benutzt. Das erste habe sie zurückgeben müssen, nachdem im Januar 2019 durch ein Datenleck ihre Telefonnummer öffentlich wurde. Die Daten darauf seien im August unter ungeklärten Umständen gelöscht worden – trotz des Beweisantrags der Abgeordneten. Was mit den Kurznachrichten auf dem zweiten Handy geschah, das die Ministerin ab Januar nutzte, sei noch unklar.
Wiederherstellung wird geprüft
Anfang dieser Woche schickte das Ministerium den Abgeordneten dann einen neuen Bericht: Die SMS auf diesem zweiten Handy habe von der Leyen vor der Rückgabe selbst gelöscht. Die Opposition ist darüber naturgemäß erzürnt. „Lassen uns so nicht behandeln“, twitterte die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Donnerstag vor Sitzungsbeginn. „Ob die Daten wiederherstellbar sind, ist noch offen. Prüfung dauert an.“
Ob im SMS-Verkehr überhaupt Informationen zur Berateraffäre zu finden wären? Vom Ministerium aus heißt es, auf den Handys habe es ohnehin keine Kurznachrichten gegeben, die für den U-Ausschuss interessant gewesen wären. Von der Leyen selbst muss wohl im Februar als Zeugin aussagen und wird sich dann wahrscheinlich ähnlich äußern.
Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner behauptet dagegen, er selbst habe einmal eine SMS von der Ministerin erhalten, in der es um die Berateraffäre ging. Für Donnerstagabend stand er als Zeuge auf der Tagesordnung des Ausschusses, um das auch offiziell zu Protokoll zu geben – und den Druck auf von der Leyen damit weiter zu erhöhen.
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