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Tweet zum Nahost-KonfliktPiraten-Politiker entschuldigt sich

Dietmar Schulz bedauert einen Tweet, in dem er den Holocaust mit dem Nahostkonflikt verglich. Für den Landtag in NRW und die Piratenpartei ist das Thema damit durch.

Ein Tweet ist schnell verschickt. Dietmar Schulz. Bild: dpa

DÜSSELDORF dpa | Der parlamentarische Streit über anstößige Twitter-Mitteilungen der Piraten-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag ist beigelegt. Das Parlament nehme die Entschuldigung des Piraten-Abgeordneten Dietmar Schulz an, sagte Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) am Mittwoch nach einer Sitzung des Ältestenrats im Düsseldorfer Landtag.

Sie mahnte alle Abgeordneten und Fraktionen, das Ansehen des Parlaments nicht zu beschädigen. Die Angelegenheit sei damit auch für die Piraten-Fraktion abgeschlossen, sagte der von ihnen gestellte Vizepräsident des Landtags, Daniel Düngel.

Mit einem Tweet zum Nahost-Konflikt hatte sich Schulz Antisemitismus-Vorwürfe eingehandelt. Unter dem Druck des Parlaments und seiner eigenen Partei hatte er am Dienstag eine zweite, klarere Entschuldigung nachlegen müssen. Die zweite Version lasse keinen Spielraum für Interpretation, sagte Gödecke.

Schulz hatte am Volkstrauertag die Gedenkveranstaltungen auf jüdischen Friedhöfen angesichts der derzeitigen israelischen Bomben-Angriffe als „grotesk“ bezeichnet. Unter allen fünf Landtagsfraktionen herrsche Einigkeit, „dass wir keine Äußerung zulassen werden und wollen, die eine Relativierung der deutschen Vergangenheit und damit der deutschen Verantwortung bedeuten“, betonte Gödecke.

Noch mehr peinliche Tweets

In der nicht-öffentlichen Sitzung des Ältestenrats kamen auch peinliche Tweets der Piraten-Abgeordneten Birgit Rydlewski zur Sprache. Die 42-jährige Dortmunder Lehrerin hatte während einer Landtagssitzung Anfang November über Langeweile gestöhnt und Zweideutigkeiten über ihre Gelüste in die Welt gezwitschert.

Jeder einzelne Abgeordnete müsse sich darüber im Klaren sein, dass er gewählt sei, um Landespolitik zu gestalten und nicht um private Befindlichkeiten zu äußern, mahnte Gödecke. „Jeder Einzelne trägt auch Verantwortung für das gesamte Parlament.“ Einen schriftlichen Verhaltenskodex hält die Präsidentin trotz der jüngsten Entgleisungen nicht für erforderlich.

Sanktionsmöglichkeiten außerhalb von Plenarsitzungen hat das Parlament gegen frei gewählte Abgeordnete nicht. Im Internet war allerdings die Frage nach Rydlewskis Arbeitshaltung angesichts von rund 11.000 Euro Monatsbezügen aufgeworfen worden.

„Für uns abgehakt“

FDP-Landtagsfraktionschef Christian Lindner attackierte die Piraten scharf. „Die Piraten surfen auf einer Welle der Politikverdrossenheit, bedienen aber schlimme Rollen von Politikern, die sich nur mit sich selbst beschäftigen und über Langeweile klagen“, kritisierte er nach der Sitzung. „Das ist nicht der Grad der politischen Reife, um als Demokratie-Erzieher aufzutreten.“

Düngel hielt dagegen, man könne niemandem den Mund verbieten. Die Außenwirkung von Twitter müsse aber bedacht werden. „Für uns sind beide Fälle abgehakt.“

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9 Kommentare

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  • S
    SomaRiot

    @tobias: Es ist eine faustdicke Lüge, dass jede Kritik an Israel mit einer "Antisemitismuskeule" niedergeknüppelt wird. Die Kritik an der israelischen Siedlungspolitik ist z.B. so selbstverständlich, dass sie (die Kritik) im öffentlichen Diskurs in keinster Weise in Frage gestellt wird. Es gehört geradezu zum guten Ton, sie zu kritisieren, wie freundlich man sich ansonsten gegenüber Israel auch immer gibt.

     

    Warum Lügen Sie also? Weil Ihnen eine sachliche Kritik, eine sachliche Auseinandersetzung eben nicht reicht. Sie wollen Israel nach Herzenslust diffamieren und diskredietieren. Dies ist ja auch das Problem von populären Antisemiten wie Grass oder J. Augstein. Sie Jammern über eine "Antisemitismuskeule", um sich nicht darüber bewusst werden zu müssen, dass ihnen jegliche Sachlichkeit abhanden kommt, wenn es gegen Israel geht.

     

    Die seltsame Obsession, immer Israel die Schuld am Nahostkonflikt zu geben, ist wahrscheinlich nur damit zu erklären, dass sich der Antisemitismus zum Antizionismus als Erscheinungsform des sekundären Antisemitismus artikuliert.

     

    Die meisten modernen Antisemiten geben sich auch dann betont naiv und unschuldig, wenn Sie meinen, Araber seien ja auch Semiten, Linke können keine Antisemiten sein, oder was hat Religion mit dem Staat Israel zu tun?

     

    Alles Phrasen, welche mit dem realten Problem des Antisemitismus nichts zu tun haben. Hitler war ja auch kein Antisemit, weil sich die NSDAP ja auch sozialistisch nannte, weil er nichts gegen Araber hatte und auch kein Beschneidungsgegner war. Dann ist ja alles in Ordnung.

  • T
    tobias

    Warum ist jeder der Israel kritisiert Antisemit? Ich wusste nicht, dass die jüdische Religion gleichbedeutend mit Israel ist.

     

    Es ist erbärmlich, dass dieser Staat machen kann was er will und jede Kritik wird mit der Antisemitismuskeule nieder geknüppelt.

     

    Ein Vergleich mit dem Holocaust relativiert nur, wenn der Leser dem Geschehen in Gaza weniger Bedeutung bei misst. Ansonsten ist es ein Vergleich wie Millionen andere auch!

  • A
    aleister

    @ ute und micha:

     

    oh mann, ich glaub lesen können hier die meisten, es geht ja wohl um die geisteshaltung die dahinter steht.

    man kann sehr wohl auch sachen so schwammig dahinsagen, so wie:"... man könnte denken... man ist sich nicht sicher...es ist irgendwie grotesk...man wird ja mal sagen dürfen" usw. darf man ja auch alles sagen, sollte aber dann nicht heulen, wenns widerspruch und protest gibt zu den gedanken dahinter. es nervt aber, wenn dann immer kommt, so hätte mans nicht gemeint, genau so hätte man das ja gar nicht gesagt. aber, hey, worauf denn sonst will so ein vollhorst eigentlich anspielen, wenn in seiner äußerung die begriffe "gedenken", "jüdischer friedhof", "israel bombt" vorkommen. da muß man doch nur 1 und 1 zusammenzählen. klar ist das ein inbeziehung setzen von holocaust und gaza-krieg. was soll also diese wortklauberei. für solcherlei allerweltsbotschaften wie "ich find frieden echt gut" und "alle sollten sich mal besser vertragen, irgendwie" ist dieses konflikt, vor allem für einen deutschen (ja!) hobbypolitiker, extrem ungeeignet und ich wünsche mir, das da endlich mal die schnauze gehalten wird. danke.

  • HM
    Helga Müller

    Wer verlangt, daß alle ihre berechtigte Israelkritik zurücknehmen müssen?

    Sind es Geheimdienstler aus den USA?

    http://nuoviso.tv/vortraege-a-interviews/item/ken-jebsen-redet-tacheles

  • M
    Micha

    Er hat aber weder die Vergangenheit relativiert, noch irgendetwas verglichen!

    Kinder, lernt zu lesen, was dasteht und nicht, was ihr erwartet!

  • H
    herbert

    Rechte Gedanken werden nicht abgehakt!

     

    Hier wird der Holocaust von einem Volksvertreter relativiert - entwender in Unkenntnis historischer Fakten oder mit dem Vorsatz der Verharmlosung.

     

    Wie wir es drehen und wenden: Es ist schrecklich, wenn unsere Politker rechtes Gedankengut nach und nach salonfähig machen.

     

    Einfach abhaken ist kein Weg: Entweder hat Hr. Schulz das Ziel, rechtes Gedankengut zu verbreiten oder er macht es "aus versehen".

     

    Ein Ausschluss aus der Politik - wenn durch "erwungenen" Rücktritt, wäre der einzig sinvolle Weg.

     

    Offensichtlich ist es bei den Piraten jedoch nicht möglich oder nicht gewollt.

  • BG
    Bernd G.

    "...um als Demokratie-Erzieher aufzutreten"

    Eine liberale Partei, die mündige Bürger 'erziehen' will? Und in Sachen faule Politiker ist die FDP doch der Branchenprimus wenn ich an Gestalten wie Frau Koch-Merin denke ...

  • U
    Ute

    Die Aussage

    "in dem er den Holocaust mit dem Nahostkonflikt verglich"

    ist einfach nur eine Verleumdung.

  • KA
    kommt alles

    Keine Panik, wenn die Piraten erst mal in der Politik angekommen sind, werden sie, wie alle anderen, so sehr mit Beraterverträgen und Nebentätigkeiten beschäftigt sein, daß sie für so einen Unfug einfach keine Zeit mehr haben.