Türkisches Wehrdienstgesetz: 12.200 Euro für die Befreiung
Der türkische Staatspräsident bestätigt ein Gesetz, wonach sich über 30-jährige Männer vom Dienst an der Waffe freikaufen können. Kritiker bemängeln dessen soziale Ungerechtigkeit.
Istanbul dpa | Die Türkei erlaubt Männern, die 30 Jahre oder älter sind, sich vom Wehrdienst freizukaufen. Auch im Ausland lebende Türken können sich gegen Zahlung komplett vom Militärdienst befreien lassen. Ein entsprechendes Gesetz habe Staatspräsident Abdullah Gül am Mittwoch bestätigt, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu.
Männer ab 30 können nun gegen Zahlung von 30 000 Türkischen Lira (etwa 12 200 Euro) vom Dienst ausgenommen werden. Das Geld soll in den Etat des türkischen Sozialministeriums fließen. Im Ausland lebende Türken müssen abhängig vom Alter 5000 bis 7500 Euro zahlen, wenn sie eine 21 Tage dauernde Grundausbildung in der Türkei ableisten. Für 10 000 Euro werden auch sie auf Antrag komplett befreit.
Um das Gesetz hatte es in den vergangenen Monaten heftige Diskussionen gegeben. Kritiker warnten, die neue Regelung werde es vor allem den Söhnen reicher Familien erlauben, sich vom Dienst freizukaufen. So werde die soziale Ungleichheit weiter verstärkt.
Das türkische Gesetz sah bisher vor, dass jeder gesunde Mann zum Wehrdienst muss. Dieser dauert maximal 15 Monate. Einen zivilen Ersatzdienst gibt es bisher nicht. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat einen Zivildienst aber in Aussicht gestellt. Von der neuen Regelung verspricht sich die Regierung Einnahmen in Milliardenhöhe.
Leser*innenkommentare
hajo tap si flup si
Gast
Dieses Gesetz ist extrem undemokratisch, aber dass passt doch zur Politik der Türkei.
Nur die armen Bauern- und Arbeiterkinder sollen sich in den Bergen gegenseitig abschlachten, sei es auf Seiten der kurdischen Guerillas oder der türkischen Armee.
Anstatt unsoziale Gesetze für ihre konservativ-neureiche Klientel zu machen, sollte sich Erdogan an die wirklichen Probleme des Landes wagen:
-Autonomie für Kurdistan
-eine freiheitliche, demokratische Verfassung, die echte Religions- und Meinungsfreiheit erlaubt
-Rücknahme der Neoliberalisierung der türkischen Wirtschaft
-Armut
-Verarbeitung der Völkermorde und Massenmorde an den Armeniern, Kurden, Aleviten und vielen mehr
-Demokratisierung oder Auflösung des faschistischen Polizei- und Geheimdienstes
und und und…
Aber solche Schritte kann man nicht von einer islamo-faschistoiden Regierung erwarten, die mehr Journalisten inhaftiert als China und jeden Kritiker als Terroristen bezeichnet. Die halbe kurdische Opposition sitzt im Gefängnis.
Die Türkei braucht eine demokratisch-sozialistische Alternative, aber davon ist sie leider meilenweit entfernt. Die linken Parteien ÖDP, EMEP und TKP sind eine Alternative, aber werden von den mherheitlich rechten Medien komplett ignoriert.
Also geht das Sterben weiter, aber natürlich nur für die Armen. So funktioniert der Kapitalismus, auch bei Sultan Erdogan….
Jens
Gast
Es zeigt doch mal wieder das Unvermögen der Türkei wie man(n) sich anpassen will. Es werden einfach Gesetze erlassen die den Lobbisten genüge tun. Hier in Deutschland wäre sowas schon allein wegen dem Grundgesetz nicht möglich. Die Türkei ist immer noch Lichtjahre von der "EU" entfernt und vor allem auch ein Demokratischer Staat zu werden. Schade eigentlich!
Agit
Gast
Bisher hat die Türkei behauptet das wenn man zum Bund geht eine Ehre, Würde und Stolz des Landes wäre, nun kann man das alles für 12.000 kaufen wo bleibt den die Ehre, stolz und Würde der Türkei. Nun müssen weiterhin Arme sterben und die Reichen (Sohn der Präsidenten Erdogan) können im Gold schwimmen denn die paar 12.000 € schwinken Reiche (er) eben aus dem Arm heraus.
Damit hat die Türkei erwiesen das alles in der Türkei käuflich ist.....
stolzer türke
Hasan Kara
Gast
@ denise
Wenn Sie behaupten das Menschen in der Türkei immer noch gefoltert werden können sie das sicher auch belegen - oder?
Ich finde diese Regelung gut, weil die Türkei hinter den USA die größte Armee in der Nato hat, es sind immer noch genug Soldaten da, und das mit den Geldern den Familien von verletzten oder gefallenen Soldaten geholfen werden soll finde ich auch vorbildlich.
denise
Gast
Liebe taz,
schön wäre es, in diesem Zusammenhang jedenfalls auch darauf hinzuweisen, dass in der Türkei Wehrdienstverweigerer inhaftiert und sehr häufig gefoltert werden (so dass die Bundesrepublik teilweise türkische Staatsangehörige nicht ausweist). Dadurch wird freilich nicht das Problem der sozialen Ungerechtigkeit beim Freikauf-Gesetz gemindert...