Türkisches Minenunglück: Verhaftungen in Soma
Erste Manager und Ingenieure des Bergwerks werden eine Woche nach dem Unglück verhaftet. Zugleich erleben die Opfer-Anwälte allerdings Schikanen.
ISTANBUL taz | Eine Woche nach dem verheerenden Minenunglück in Soma sind am Montag fünf Manager und zwei verantwortliche Ingenieure des Bergwerks verhaftet worden. Bei der Katastrophe kamen nach offiziellen Angaben 301 Menschen ums Leben.
Nachdem die türkische Regierung zunächst jedes schuldhafte Versagen der Minenbetreiber und der staatlichen Aufsichtsbehörden kategorisch zurückgewiesen hatte, änderte sich die Tonlage am Wochenende zusehends: Plötzlich berichteten auch regierungsnahe Medien von möglichen Versäumnissen vor Ort. Eine 28-köpfige Sonderermittlungsgruppe der Staatsanwaltschaft vernahm am Sonntag erst einmal 25 Leute aus der Minenleitung. Zu den dann Verhafteten soll auch der Sohn des Bergwerkchefs Alp Gürkan, Can Gürkan, zählen.
Bereits am Samstag hatte die regierungskritische Tageszeitung Milliyet aus einem ersten vorläufigen Untersuchungsbericht zitiert. Bergarbeiter hätten ausgesagt, dass bereits seit Tagen ein Schwelbrand im Bergwerk ausgebrochen gewesen sei. Die Ingenieure hätten zwar eine erhöhte Gaskonzentration gemessen, die Arbeiter aber gezwungen, weiter ins Bergwerk einzufahren. Der Schwelbrand habe dann die Stollen, die überwiegend mit Holz – und nicht mit Metallstempeln – abgestützt seien, zum Einsturz gebracht.
Die Staatsanwaltschaft ließ die Eingänge zur Mine am Sonntag zumauern, angeblich, um den „Tatort“ abzusichern. Gleichzeitig verhindert die Polizei aber auch, dass sich die Angehörigen der Opfer juristischen Beistand holten: Anwälte aus Istanbul und Izmir, die an jenem Tag extra nach Soma gereist waren, um die Familien dort zu treffen, wurden nicht in die Stadt gelassen und von der Polizei teilweise sogar misshandelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt