Türkischer Präsident zu Besuch: Der schmierige Schwager Erdoğan

Erdoğan zu empfangen und auszuloten, ob man reden kann – hat Größe. Nämlich die Größe derer, die wissen, dass sie klein sind und verhandeln müssen.

Erdogan neben Flagge

Der türkische Präsident Erdoğan nennt die Hamas „Befreiungsorganisation“ Foto: Michael Kappeler

taz: Was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Krieg im Krankenhaus.

Und was wird besser in dieser?

Krankenhaus im Krieg.

Der türkische Präsident Erdoğan, der die Hamas „Befreiungsorganisation“ nennt, war zu Besuch in Berlin. Wie passt das zur viel beschworenen deutschen Staatsräson?

Prima. Der notorische und gut begründete deutsche Minderwertigkeitskomplex obwaltet auch dort, wo wir ausnahmsweise mal etwas gut gemacht haben: Bundespräsident Steinmeier entschuldigt sich für 20 Jahre Verhandlungsaberglauben, Brandts Ostpolitik war eigentlich auch schon schlimm und den Rest zertrampelt Baer­bocks werteblasierte Außenpolitik. Die deutsche Tugend der Not: Bewährungssträfling, Zivildienstleistender unter den Völkern – wurde just flächendeckend zum großen Irrtum erklärt; die „glückssüchtige“ Friedenstaumelei ersetzt durch den Job als „kriegstüchtiger“ Hilfssheriff – vulgo „partner in leadership“. Da hinein einen schwierigen bis schmierigen Schwager zu empfangen und auszuloten, ob man reden kann – hat Größe. Also die Größe derer, die wissen, dass sie klein sind – und verhandeln müssen.

Ungenutzte Coronahilfen in den Klimafonds zu stecken, geht gar nicht, so das Bundesverfassungsgericht. Und nun?

Der Einsatz der Polizei gegen Hütchenspieler in der Fußgängerzone litte an Glaubwürdigkeitsverlust, wenn das Bundesverfassungsgericht der Ampel den Kreditzauber durchgehen ließe. Finanzkanister Lindner sammelt Rekordschulden an und versteckt sie immer gerade unterm falschen Hütchen; dagegen muss eine demokratische Opposition klagen. Zu deren Job gehörte es allerdings dann auch, einen konstruktiven Gegenvorschlag zu machen. Da glänzt die Union mit einem Eimer voller Forderungen – Zeitenwende, Steuererleichterungen, Staatsausgaben – und keiner einzigen Finanzierungsidee. So geht Friedrich Merz in die Geschichte ein: als die schwarze Null.

Die Linksfraktion wird sich nächsten Monat auflösen. Was bedeutet das jetzt für Deutschlands Parteienlandschaft?

Tschüss Vielfalt. Auf dem kurzen Weg werden den Medien die vielen „Kleinen Anfragen“ fehlen, die mit dem Fraktionsstatus verloren gehen: Da ließ sich immer mal eine verblüffende Regierungsantwort zitieren und ein vergessenes Thema setzen. Auf die Halbdistanz verliert das Parlament Stimmen im Chor. Das mag ein notorischer Knödelbass von links gewesen sein, oder schrilles Falsett – selten große Kunst, doch stets ein Signal an viele Versprengte da draußen, dass auch sie repräsentiert wurden. Eine regierende SPD wird das Linksvakuum nicht füllen; eine Handvoll Wagenknechte verstrudeln und versudeln mit den AfD-Krakeelern, denen der ganze Staat auch nicht passt. Vielleicht beantragt die Union im Ältestenrat eine Schweigeminute.

Hochrangige Regierungsmitglieder, darunter der Gesundheitsminister und Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter, teilten und lobten ein Interview mit Douglas Murray auf X, in dem der britische Aktivist der neuen Rechten NS-Verbrechen verharmlost. Haben die alle im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst?

Bisher waren wir Weltmeister im Schnellverhitlern jedweden Schurkenstaates: Saddam Hussein, Gaddafi, Assad, und immer gerne: Putin. Das hilft, kluge und differenzierte Politik zu verhindern und war schon nicht ohne Selbstverharmlosung. Murrays Argumentation: Der in jeder Hinsicht gemeine SS-Mann habe sich wenigstens ordentlich besaufen müssen nach einem Tag voller harter Arbeit bis zur Vergasung – während Hamas einen Holocaust auch nüchtern hinbekomme. Das ist maximal verstiegen, verwirrt, falsch. Hitlers Rassenwahn konnte man 10 Jahre vorher in „Mein Kampf“ nachlesen. Gern mag den Schnellklickern daraus die Lehre erwachsen: „Denken statt hitlern.“

20 Stunden Bahnstreik machten viele Menschen sehr wütend. Ob Stau, lahmgelegter Bahnverkehr oder Diskussionen ums Tempolimit – wieso nervt Stillstand so?

Ach komm, die mussten so brutal streiken, sonst merkt man den Unterschied zum normalen Desaster der Bahn nicht.

Madonna tourt durch Deutschland. 80er forever?

Das Küken versucht’s mal, während in den Charts die Beatles gegen die Stones rangeln.

Marie-Louise Eta ist bei Union Berlin erste Co-Trainerin der Männer-Bundesliga. Sieg oder Niederlage – was ist Ihr Tipp fürs nächste Spiel gegen den FC Augsburg?

Tja. Lieber Hammerfrau als Nagelsmann.

Und was machen die Borussen?

Eine Woche Pause – Zeit für eine schicke Trainerdebatte.

Fragen: Elisa Pfleger und Lara Ritter

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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