Türkischer Präsident in Athen: Eklat statt Charme
Der türkische Präsident Erdoğan und sein griechischer Kollege Pavlopoulos tragen in Athen vor laufender Kamera ihren Dissens aus.
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Zudem beschwerte er sich über Armut und mangelnde Religionsfreiheit im muslimisch geprägten griechischen Grenzgebiet Thrakien. Immer wieder sprach Erdoğan von einer „türkischen Minderheit“ in der Region – damit brüskiert er die Gastgeber, da nach Athener Lesart in Thrakien keine „türkische“, sondern eine „muslimische“ Minderheit lebt, der auch bulgarischstämmige Griechen und Roma angehören.
Eigentlich hatte der Besuch Erdoğans in Athen Teil einer Charmeoffensive des türkischen Präsidenten werden sollen, in dessen Verlauf er neben Griechenland noch Polen und Tschechien besuchen will. Dass er gleich den Lausanner Vertrag in den Mittelpunkt stellte, zeigt allerdings, dass Erdoğan Außenpolitik vor allem aus innenpolitischen Motiven betreibt. In dem Friedensvertrag von Lausanne sind nicht nur die Grenzen zwischen den beiden Ländern geregelt, sondern auch die Rechte der jeweiligen Minderheiten in beiden Ländern. Am Freitag will Erdoğan Thrakien besuchen. Die Situation der Minderheit vor Ort „hat für mich Top-Priorität“, sagte er vor dem Abflug.
Deutlich freundlicher gaben sich Erdoğan und Ministerpräsident Alexis Tsipras nach ihrem Vier-Augen-Gespräch am Nachmittag. Wert legte der Linkspremier auf das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen. Er und Erdoğan hätten neue Sicherheitsmaßnahmen vereinbart, erklärte Tsipras. Erdoğan pochte hingegen erneut auf die Auslieferung der zehn türkischen Offiziere, die nach dem gescheiterten Putsch im Sommer 2016 ins Nachbarland geflohen waren.
Alexis Tsipras
Erdoğan hat sich seit dem Putschversuch im Juli 2016 sowohl mit der EU als auch mit den USA völlig überworfen. Griechenland sollte eigentlich ein erster Schritt zur Reparatur der Beziehungen werden. In Athen hofft man, dass das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der EU weiterhin eingehalten wird, damit nicht wieder mehr Flüchtlinge auf den griechischen Inseln anlanden.
Außerdem würde ein Spannungsabbau in der Ägäis dem Tourismus in beiden Ländern zugutekommen. „Wir wollen eine Wiederannäherung der Türkei an die EU“, sagte Tsipras schon vor dem Eintreffen Erdoğans.
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