Türkischer Einmarsch in Syrien: Zahlen sollte die EU das nicht
Die Türkei beginnt mit der Offensive gegen die YPG. EU-Präsident Juncker lehnt das Projekt Sicherheitszone ab.
„Friedensquell“ heißt laut Erdoğan die Militäroperation der türkischen Armee in Nordsyrien. Sie begann heute mit der Artillerie-Bombardierung von Ras-ul-Ayn und Tel Abyad. Kurz darauf seien laut Mustafa Bali, einem Sprecher der Demokratischen Kräfte Syriens, türkische Kriegsflugzeuge zum Einsatz gekommen. Ziel der Türkei ist die Errichtung einer militärisch besetzten Sicherheitszone.
Jean-Claude Juncker, scheidender Präsident der EU-Kommission, rief die Türkei zur Räson. Die Militärbewegung müsse umgehend beendet werden. „Sollte der Plan die Errichtung einer sogenannten Sicherheitszone beinhalten, erwarten Sie nicht, dass die EU dafür irgendetwas zahlt“, sagte Juncker in ungewohnter Deutlichkeit. Bundesaußenminister Heiko Maas rief die Türkei ebenfalls dazu auf, „ihre Offensive zu beenden.“ Die syrische Asad-Regierung kündigte laut staatlicher Nachrichtenagentur Sana an, mit allen Mitteln gegen den Einmarsch vorzugehen. Mit dem Einmarsch werde die Türkei ihre Akteursrolle bei den Friedensgesprächen verlieren.
Nach offiziellen Angaben will die Türkei ein Gebiet von 480 km Breite und 30 km Tiefe militärisch erobern, um dort die langersehnte Sicherheitszone einzurichten. Die dortigen Milizen der kurdischen YPG/YPJ sollen „unschädlich gemacht“ und die derzeit in der Türkei lebenden syrischen Geflüchteten abgeschoben und in der Sicherheitszone angesiedelt werden. Die nötigen Bauprojekte sollen von der staatlichen Wohnbaufirma TOKI ausgeführt werden. Die bisher mit der YPG/YPJ verbündeten USA sagten der Türkei im August ihre Unterstützung für den Plan zu. Am Montag kündigte die Türkei nach bilateralen Gesprächen mit den USA den Einmarsch an.
Teile der türkischen Öffentlichkeit stellen sich gegen den erneuten Einmarsch in Nordsyrien. Auf den Straßen regt sich allerdings derzeit kein Protest. Bedenken bestehen insbesondere bezüglich der dort von der YPG/YPJ festgehaltenen IS-Gefangenen, die der Verurteilung harren. Die USA haben die Verantwortung für diese Kriegsgefangenen an die Türkei übertragen. Insbesondere die HDP warnt davor, dass die türkische Offensive zu einer Neuorganisierung der gerade erst geschlagenen IS-Verbände in der Region führen wird. Die Offensive sei ein Versuch, eine militärische Besatzung zu schaffen. Gegen die HDP-Doppelspitze Pervin Buldan und Sezai Temelli wurde aufgrund dieser Äußerung sofort ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die CHP und die IYI-Partei begrüßen unterdes die Offensive. Zahlreiche Einzelpersonen aus beiden Parteien wünschen den türkischen Soldaten Erfolg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!