Türkische Journalistin untergetaucht: Zu kritisch für Erdoğan
Nachdem die Polizei gewaltsam in ihre Wohnung eindrang, ist die Journalistin Arzu Yıldız untergetaucht. Sie fürchtet, gedemütigt zu werden.
In Deutschland und in der Türkei ist Arzu Yıldız eine bekannte Journalistin, besonders wegen eines Gerichtsverfahrens im Mai dieses Jahres. Yıldız war zu 20 Monaten Haft verurteilt worden, weil sie über ein Ermittlungsverfahren wegen Waffenlieferungen aus der Türkei für Extremisten in Syrien berichtet hatte.
Wegen Berichten über dieselben Ermittlungen waren auch die Cumhuriyet-Journalisten Can Dündar und Erdem Gül verurteilt worden. Neben der 20-monatigen Freiheitsstrafe entzog das Gericht der Journalistin auch das Sorgerecht für ihre beiden Töchter. Daraufhin hatte Yıldız angekündigt, das Urteil anzufechten.
Yıldız’ Anwalt Alp Değer Tanrıverdi bestätigt das Eindringen der Polizei. Er habe mit Yıldız wenige Stunden nach dem Vorfall am Montag gesprochen. Wo die Journalistin sich zur Zeit aufhält, wisse er nicht, so Tanrıverdi. Sie sei gegenwärtig nicht zu erreichen. Unklar sei auch, ob sie sich immer noch in der Türkei oder im Ausland befinde. „Ich weiß es nicht, aber auch wenn ich es wüsste, könnte ich diese Information am Telefon nicht mitteilen.“
Angst vor Demütigung
Tanrıverdi betont, das Eindringen der Polizei sei keine unmittelbare Folge der Verurteilung im Mai. „Den Grund kennen wir nicht, aber es hängt wahrscheinlich mit dem Putsch zusammen.“ Yıldız habe nichts zu verbergen und auch keinen Grund abzutauchen. Vielmehr befürchte Yıldız, durch die Polizei gedemütigt zu werden, so der Anwalt.
„Die letztlich festgenommenen Richter und Staatsanwälte wurden ohne Bekleidung mit Handschellen gefesselt. Frauen und Männer standen zusammen, nur in Unterwäsche. Sie wollte nicht auf diese Art und Weise festgenommen werden.“
Seit dem gescheiterten Militärputsch in der Nacht von Freitag auf Samstag liegen in der Türkei Festnahmebefehle gegen 2.854 Staatsbeamte vor, denen vorgeworfen wird, dem Prediger Fethullah Gülen nahezustehen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan macht Gülenisten für den Putschversuch verantwortlich. Die türkische Presse hatte zuletzt Fotos von festgenommenen hochrangigen Soldaten in Unterwäsche und Handschellen veröffentlicht.
Yıldız sei keine Gülenistin, sagt ihr Anwalt. Auf der Nachrichtenseite Haberdar.com, bei der sie als Hauptstadt-Korrespondentin arbeitet, habe Yıldız den Putsch stark kritisiert. Nach dem 15. Juli sind Haberdar.com und andere, vor allem regierungskritische Nachrichtenseiten, gesperrt worden. Tanrıverdi vermutet deshalb, dass Yıldız als regierungskritische Journalistin und nicht als mutmaßliche Gülen-Anhängerin festgenommen werden sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Zoff zwischen SPD und Grünen
Die Ampel? Das waren wir nicht!
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär