Nach dem Putschversuch in der Türkei: Erste Journalisten festgenommen
Die Ermittlungen nach dem gescheiterten Putschversuch weiten sich offenbar auf Journalisten aus. Medien berichten von Haftbefehlen gegen 42 Beschuldigte.
ISTANBUL dpa | Bei den Massenfestnahmen nach dem Putschversuch in der Türkei gehen die Behörden nun auch gegen Dutzende Journalisten vor. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft ordnete am Montag im Rahmen der Ermittlungen zum Putschversuch die Festnahme von 42 Journalisten an, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Darunter ist die prominente Regierungskritikerin Nazli Ilicak.
Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, die Ermittlungen richteten sich gegen Medien aus dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen. Die Regierung macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Anadolu meldete, zunächst seien fünf der verdächtigen Journalisten festgenommen worden. Ilicaks Haus in Istanbul sei durchsucht worden. Nach Angaben von DHA wird nach Ilicak im Ferienort Bodrum gesucht.
Auch in anderen Bereichen dauerten die Massenfestnahmen an. DHA meldete, bei Razzien in Istanbul seien 31 Akademiker festgenommen worden, darunter Professoren. Anadolu berichtete, im Hauptquartier der türkischen Militärakademien in Istanbul seien 42 Soldaten festgenommen worden, darunter hochrangige Verdächtige. Außerdem seien sieben Elite-Soldaten gefasst worden, die in der Putschnacht das Hotel Erdogans in Marmaris angegriffen hätten.
Seit dem Putschversuch sind nach offiziellen Angaben mehr als 13. 000 Verdächtige festgenommen worden, knapp 6000 davon sitzen in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Nachrichtenagentur wurden mehr als 45 000 Staatsbedienstete suspendiert. Die Maßnahmen haben international Kritik ausgelöst.
Die teilstaatliche Fluglinie Turkish Airlines entließ nach eigenen Angaben 211 Mitarbeiter mit mutmaßlichen Gülen-Verbindungen. Außenminister Mevlüt Cavusoglu kündigte im Sender Habertürk an: „Auch auf der Botschafterebene wird es Suspendierungen geben.“ Betroffen seien nicht Botschafter im Ausland, sondern Diplomaten mit diesem Rang im Ministerium in Ankara.
Erdogan hatte am Samstag mit seinem ersten Notstandsdekret die Schließung von 2341 Einrichtungen mit mutmaßlichen Gülen-Verbindungen angeordnet, darunter mehr als 1000 Schulen. Verdächtige können nun bis zu 30 statt bislang vier Tage in Polizeigewahrsam gehalten werden, bevor sie einem Haftrichter vorgeführt werden müssen.
Die Journalistin Ilicak war Ende 2013 von der regierungsnahen Zeitung Sabah entlassen worden, als sie im Rahmen von Korruptionsermittlungen den Rücktritt mehrerer Minister der islamisch-konservativen AKP forderte. Die Regierung hält die damaligen Korruptionsermittlungen für ein Gülen-Komplott.
Ilicak hatte unter anderem auch für die Zeitung Bugün geschrieben, die den Gülen-Medien zugerechnet wurde. Die Regierung hatte Bugün im vergangenen Jahr unter Zwangsverwaltung gestellt, auf AKP-Kurs gezwungen und später geschlossen.
Leser*innenkommentare
Rainer B.
Und Schäuble spricht hier weiterhin von der Türkei als einem "demokratischen Rechtsstaat". Offenbar unterscheiden sich die diesbezüglichen Vorstellungen der CDU auch gar nicht sonderlich von denen Erdogans.