Türkin bloggt über Misshandlung: Ein Blog als Hilfeschrei
Weil ihr Exfreund sie misshandelt und die Polizei untätig bleibt, dokumentiert eine junge Türkin die Gewalt in einem Blog – auch für den Fall, dass sie stirbt.
Die 22-Jährige aus dem südtürkischen Alanya schreibt in einem Blog, sie halte ihre Geschichte auch deshalb im Internet fest, damit die Öffentlichkeit wisse, wer ihr Mörder sei, falls sie eines Tages nicht mehr nach Hause zurückkehren sollte. Die Polizei sei bisher untätig geblieben. Nun wollen sich Anwälte des Falles annehmen.
Auf ihrem Blog veröffentlicht Yilmaz neben den Bildern ihrer Verletzungen auch Aufnahmen einer Überwachungskamera vor ihrem Wohnhaus, auf denen zu sehen ist, wie sie von ihrem Ex-Freund Serdar D. verprügelt wird. D. habe auch ihr Telefon und ihr Geld gestohlen. Yilmaz‘ Blog listet zahlreiche Misshandlungen mit dem jeweiligen Datum auf und dokumentiert ihre schriftlichen Aussagen bei der Polizei.
Trotz mehrfacher Beschwerden bei der Polizei hätten die Behörden bisher nichts gegen den Mann unternommen, schreibt Yilmaz. Auch für die Aufnahmen der Überwachungskamera hätten sich die Beamten nicht interessiert. Nun wage sie sich schon seit Tagen nicht mehr aus dem Haus. „Er wartet draußen auf mich“, schreibt sie. „Ich habe Angst um mein Leben.“
Die Abteilung für Gewalt gegen Frauen bei der Anwaltskammer im nahen Antalya will nun mit Yilmaz sprechen und bei der Polizei Druck machen, wie die Zeitung „Hürriyet“ meldete. Gewalt gegen Frauen ist eines der schlimmsten sozialen Probleme der Türkei. Nach einer Zählung des Internetportals Bianet wurden allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 160 Frauen von ihren Ehegatten, Ex-Männern oder Lebensgefährten getötet. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 281 Opfer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag