Türkei vor den Wahlen: Großrazzia gegen Kurd*innen
Kurz vor den Wahlen geht die Türkei gegen Politiker, Anwälte und Journalisten vor. Die linke HDP wirft ihr vor, Wähler verunsichern zu wollen.
Schwerpunkt der Festnahmen war Diyarbakır, die größte kurdisch bewohnte Stadt der Türkei. Insgesamt waren von den Razzien 21 Provinzen betroffen. Unter den festgenommenen Politikern sind nach Angaben der kurdisch-linken Partei HDP auch Özlem Gündüz, ein Vorstandsmitglied der Partei, Mahfuz Güleryüz vom erweiterten Vorstand sowie dutzende weitere Mitglieder.
Wie die Anwaltskammer in Diyarbakır bestätigte, sind auch eine Reihe von Anwälten, die sich in der Vereinigung „Anwälte für die Freiheit“ zusammengeschlossen haben, festgenommen worden. Außerdem sind Journalisten verschiedener kurdischer Medien wie der Mesopotamischen Nachrichtenagentur und der Zeitung Yaşam betroffen.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, es ginge um Unterstützung der „Terrororganisation PKK“. Den Festgenommenen werde entweder finanzielle oder propagandistische Unterstützung der PKK vorgeworfen.
Die HDP wirft der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan dagegen vor, bei der Razzia ginge es darum, drei Wochen vor den entscheidenden Präsidentschafts – und Parlamentswahlen am 14. Mai kurdische Organisationen zu schwächen und WählerInnen der HDP zu verunsichern. „Verhaftet wurden Politiker, die die kurdische Bevölkerung vertreten, Journalisten, die sie informieren und Anwälte, die sie notfalls verteidigen könnten“, erklärte die HDP in einer Pressemitteilung.
Kılıçdaroğlu in Umfragen vor Erdoğan
Tatsächlich ist ein Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen naheliegend. Im Kampf zwischen den sechs Parteien, die sich zu einem Oppositionsbündnis zusammengeschlossen haben, und der Koalition, die Erdoğan unterstützt, könnten die kurdischen Stimmen den Ausschlag geben.
Gegen die HDP läuft sowieso ein Verbotsverfahren vor dem Verfassungsgericht, das in den nächsten Tagen entschieden werden könnte. Deshalb hat die HDP ihren Wählern bereits gesagt, dass ihre Kandidaten auf der Liste der befreundeten Partei „Grüne-Linke“ kandidieren werden und Unterstützer diese Partei wählen sollten.
Gleichzeitig hat die HDP angekündigt, keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen, und damit indirekt zur Wahl des Oppositionskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu aufgerufen. In fast allen Umfragen liegt Kılıçdaroğlu mehr oder weniger deutlich vor Präsident Erdoğan; und auch im Parlament könnte die Opposition die Mehrheit gewinnen.
Viele Beobachter sind deshalb der Meinung, dass das Regierungslager in Panik ist und mit Aktionen wie der Großrazzia am Dienstag versuchen könnte, die Stimmung noch zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Deshalb warnen viele Erdoğan-Kritiker vor weiteren bösen Überraschungen in den Wochen vor der Wahl am 14. Mai.
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