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Türkei im Syrien-KonfliktStiller Eintritt in den Krieg

Nach Beschuss aus Syrien will die Türkei Unterstützung der Bundeswehr mit „Patriot“-Abwehrraketen. Doch es geht um mehr als Selbstverteidigung.

Ein türkischer Soldat an der Grenze bei Ceylanpinar. Bild: reuters

ISTANBUL taz | Endlich ist Ruhe. Tagelang waren nur wenige hundert Meter vom Zentrum des Städtchens Ceylanpinar schwere Bomben detoniert, Splitter und Schrapnelle hatten mehrere Menschen verletzt und etliche Häuser demoliert. Die Schulen waren geschlossen worden, wer Verwandte in der Nähe hatte, verließ sein Haus.

Ceylanpinar ist einer der türkischen Orte nahe der syrischen Grenze, der in den letzten Monaten direkt vom syrischen Bürgerkrieg betroffen war. Grund waren heftige Kämpfe im syrischen Grenzort Ras al-Ayn, der von Aufständischen erobert und nun von der syrischen Luftwaffe heftig bombardiert wurde. Am Freitag sind die syrischen Bomber verschwunden, langsam kehrt in Ceylanpinar wieder Normalität ein.

Seit in einer ähnlichen Situation Anfang Oktober fünf türkische Zivilisten im Grenzstädtchen Akcakale durch syrischen Granatenbeschuss getötet wurden, ist die türkische Armee angewiesen, unmittelbar zu reagieren. Immer wieder nehmen türkische Soldaten seitdem syrische Stellungen unter Beschuss, die türkische Luftwaffe patrouilliert täglich entlang der Grenze.

Nach den Toten in Akcakale hatte die Türkei den UN-Sicherheitsrat angerufen und eine Verurteilung Syriens gefordert, die dann in abgeschwächter Form auch von Russland und China mitgetragen wurde. Verändert hat sich dadurch nichts, syrische Truppen sind auch weiterhin in unmittelbarer Grenznähe aktiv. Spätestens seit dem Zwischenfall in Akcakale fordert die türkische Regierung lautstark internationale Unterstützung und es wird über die Stationierung von „Patriot“-Raketenabwehrsystemen durch die Nato diskutiert.

Die Bedrohung ist nicht klar

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Nato ihrer Bündnisverpflichtung gegenüber der Türkei durch die Stationierung von Patriots nachkommt.

Bereits zweimal, Anfang der 90er Jahre und während des US-Einmarschs im Irak 2003, stellten Holland und Deutschland „Patriot“-Abwehrraketen mit dem dazugehörigen militärischen Personal entlang der türkisch-irakischen Grenze. Allerdings gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen heute und damals: Iraks Diktator Saddam Hussein hatte seinerzeit lautstark damit gedroht, seine Scud-Raketen auch in die Türkei abzufeuern, während von Assad jetzt nichts dergleichen zu hören ist.

Zwar soll die syrische Armee über ein erhebliches Arsenal von Mittelstreckenraketen russischer Bauart verfügen, warum sie diese aber auf die Türkei abschießen sollte, hat die türkische Regierung bislang nicht erklären können.

Politische Beobachter in der Türkei vermuten denn auch andere Motive hinter der türkischen Anfrage nach Patriots, die laut dem Außenministerium in Ankara „in Kürze“ gestellt werden soll. Zum einen geht es Ministerpräsident Tayyip Erdogan darum, dass die Verbündeten endlich Flagge zeigen. Zumindest symbolisch wäre die Nato dann mit im Boot. Und einmal vor Ort, müsste sie dann wohl auch weiter aktiv werden, wenn es zu einer militärischen Eskalation zwischen der Türkei und Syrien kommen sollte.

Interesse an einer Pufferzone

Es gibt aber auch ein ganz anderes, weitergehendes Szenario, wie die türkische Tageszeitung Milliyet kürzlich enthüllte. Danach wird zwischen amerikanischen und türkischen Militärs intensiv darüber diskutiert, wie eine von der türkischen Armee herzustellende Pufferzone auf der syrischen Seite aus der Luft abgesichert werden könnte. Die türkische Regierung hat ein großes Interesse daran, eine solche Pufferzone zu etablieren.

Zunächst könnten die mittlerweile über 100.000 Flüchtlinge dann mindestens teilweise auf syrischem Boden untergebracht werden und müssten von der internationalen Gemeinschaft versorgt werden. Zweitens hätten die Rebellen ein befreites Gebiet und könnten ebenfalls aus der Türkei abziehen. Drittens könnte die türkische Armee aber auch das Grenzgebiet, das im Moment von syrischen Kurden, die teilweise der PKK nahestehen, kontrolliert wird, selbst übernehmen und die PKK-Sympathisanten dort vertreiben.

Mit logistischer Unterstützung der USA soll laut Milliyet die türkische Luftwaffe auch die Kontrolle des Luftraums übernehmen, während die Patriots dann dafür zuständig wären, syrische Raketen abzuschießen, die türkische Flieger angreifen. Die Patriots könnten also so etwas wie die Rückendeckung für die türkische Luftwaffe darstellen. Und auch wenn deutsche Patriot-Stellungen die türkische Luftwaffe nur von türkischem Boden aus unterstützen, wären sie doch weit mehr im syrischen Bürgerkrieg involviert, als die Bundesregierung jetzt behauptet.

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14 Kommentare

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  • E
    enno

    wir sehen also die türkey hat dort vor allem eigensüchtige interessen . deshalb kann eine solche pufferzone nicht von der türkey sondern wenn dann nur von der uno kontrolliert werden.das wäre der oberste bündnisfall der vor dem natobündnisfall steht.anbei wäre damit evtl.auch der kurdenfall

    leichter zu klären.schließlich ist kurdistan nicht legal zur türkey geworden.vergessen wir nicht das die türkey den menschen und völkerechten nur in ihrer

    beschränkten sicht zugänglich ist.

  • B
    bull

    An alle die behaupten in der Türkei gebe es keine Demokratie.Wenn es keine gäbe hätte es dann so viele Regierungwechsel in den letzten 50 Jahren gegeben?Ich lann Sie schon gar nicht mehr zählen.Das Militär hat das auch nicht ändern können.Auch die Wiederwahl dieser Regierung hängt einzig und alleine davon ab ob Sie den Wohlstand den viele Türken erreicht haben auch halten kann.

  • H
    Hey!Ho!

    @Tim In der Türkei herrscht Demokratie?

    Wie ist das mit der Pressefreiheit? Ist das Demokratie? Was geschieht noch mal mit den Kurden?

    http://www.taz.de/Pressefreiheit-in-der-Tuerkei/!87711/

    Vulkansturm stellt hier zwei Dinge völlig legitim gegeneinander und kommt zu dem logischen Schluss, dass es sich hier wieder einmal um Heuchelei handelt. Wenn man die Türkei mag, sollte man ihr auf dem Weg zur Demokratie helfen. Dazu gehört Pressfreiheit, ein menschlicher Umgang mit den Kurden und die Zurückdrängung der Religion.

  • T
    @tim

    (zur Antwort auf @Vulkansturm")

     

    Nein. Vergleichen ist nicht gleichsetzen. Ich habe nur ein massives Problem mit Erdogans und seiner Fans Weltsicht, die überall "Terror" schreien (neuerdings bei Israel und - teilweise zu Recht - bei kurdischen Aktivisten, demagogischerweise auch bei Journalisten), aber vor dem wachsenden terroristischen Anteil bei den syrischen Rebellen die Augen verschließen.

  • G
    Gabriel

    Deutschland hat schon in Libyen eine unrühmliche Rolle gespielt. Die Libyer haben gewählt und die staatliche Autorität weitgehend wieder etabliert. In Tunesien findet erstmal eine öffentliche Auseinandersetzung über Themen statt. Wieso soll man da einen Diktator in Syrien schonen?

  • M
    Mikki

    Was gibt es denn eigentlich zu diskutieren: Unstreitig wird die Türkei von syrischer Seite angegriffen, damit ist der NATO-Bündnisfall eingetreten und man muss der Türkei zur Seite stehen. Es geht um die Stationerung von Patriot-Einheiten auf türkischem Boden, die dann zum Einsatz kommen, wenn Raketen auf türkisches Gebiet abgefeuert werden. Wo ist also das Problem ? Was hat das alles mit tatsächlichen oder angeblichen Plänen der Türkei zu tun. Wieso wird Deutschland in den syrischen Bürgerkrieg gezogen, wenn es dabei hilft, auf die Türkei gerichtete Raketen abzufangen ? Wer so dünn argumentiert, stellt die NATO-Mitgliedschaft Deutschlands in Frage und muss im nächsten Satz auch sagen, dass eine Bombardierung der Türkei und damit der türkischen Bevölkerung in Kauf genommen wird. Alles andere ist verbales Schattenboxen.

  • Y
    yberg

    das NATO mitglied und schwellenland türkei ist nicht in der lage in seiner labilen wirtschaftlichen verfassung eine kriegerische auseinandersetzung eigenständig zu finanzieren.

     

    deshalb muß der nato bündnisfall her,damit kosten und folgekosten von den natostaaten finanziert werden und die möglichkeit bestseht eigene türkische militärleistungen im bündnis überteuert abzurechnen

  • T
    tim

    @ @vulkansturm

     

    Widerwärtig ist doch vielmehr, dass Sie hier Syrien, das autokratisch regiert wird von einem Diktator, mit der Türkei vergleichen, einem Nato-Partner(!) in dem Demokratie herrscht. Verfehlungen hin oder her, die Geschichte der türkischen Verfehlungen mag lang sein - vieles davon liegt in einer Zeit begründet, in der es allen Partnern im Westen gelegen kam, dass die Türkei ein Bollwerk gegen den kommunistischen Osten war und demnach auch ruhig autoritärer regiert werden sollte - aber der Aufstand in Syrien war zuallererst nicht durch Anschläge und Untergrundkampf geprägt und kam aus der Mitte der Bevölkerung! Was Sie hier für einen unreflektierten, Ihre Abscheu auf die Türkei zur Schau tragenden Unfug verzapfen, das tut wirklich in den Augen weh.

  • V
    vic

    Keine Waffen für niemand!

    Das würd ich machen, wenn ich König von Deutschland wär...

  • S
    smukster

    Dass "Assad seine eigene Bevoelkerung bombardiert", scheint mir eher Propaganda der FSA zu sein; Beweise kenne ich bisher keine. Es herrscht Buergerkrieg in Syrien - und dabei unterscheiden wohl beide Seiten nicht immer genau zwischen Zivilisten und Kaempfern.

     

    Die Annahme, dass die Bombardements tuerkischer Staedte von der syrischen Armee ausgehen, widerspricht jeglischer Logik - was natuerlich noch keinen Beweis des Gegenteils darstellt. Und ein oberflaechlicher Blick ins Voelkerrecht genuegt um festzustellen, dass die Einrichtung einer "Pufferzone", zumal zur Unterstuetzung der Rebellen, vollkommen illegal waere.

     

    Der einzig sinnvolle Weg waeren Verhandlungen fuer einen Waffenstillstand; der dafuer noetige internationale Druck wird jedoch nur auf die eine Konfliktpartei ausgeuebt. Offensichtlich besteht kein wirkliches Interesse an einer Besserung der Lage. Ausbaden muss diese Machtspiele, wie ueblich, die Zivilbevoelkerung.

  • V
    @vulkansturm

    "Wenn man es schon hinnimmt, dass Assad seine eigene Bevölkerung bombardiert,..."

     

    Sie meinen, wie Erdogan in Ostanatolien? Das sind natürlich Terroristen, die Aufständischen in Syrien aber Freiheitskämpfer. Widerwärtigste Heuchelei, aber das kennt man von der Nato ebenso wie vom diesem Demagogen.

  • PM
    Peter Meisel

    Wenn ich lese, da soll der Syrische Luftraum mit amerikanischer Logistik überwacht werden, so ist die m.E. eine überproportionale Unterstützung in einem "Bürgerkrieg"? Was wird eigendlich geplant? Ich muss nochmal bei Günter Grass nachlesen. Der hat's ja gesagt, was gesagt werden musste. Ein Blick auf die Landkarte hilft da mehr?

    Was hier aufgerüstet werden soll, hat mit dem Schutz der Flüchtlinge und der humanitären Hilfe nichts zu tun.

    Die Behauptung dieser Assad will die schwache Türkei angreifen, ist genauso eine Lüge, wie am 1. September 1939, damit begann der Überfall auf Polen und der Zweite Weltkrieg. "Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!" Präemtive Selbstverteidigung" aha?

    Mich erinnert dies an die Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak oder die Aufgabe Deutscher Soldaten am Hindukush das Bohren von Brunnen zu bewerkstelligen. Wie viele Brunnen übergeben wir jetzt den Afghanen?

    Die Türkei braucht von uns keine zusätzlichen Soldaten und Waffen. Mehr als eine "Privilegierte Partnerschaft" zu geben, waren unser Christlichen Führer doch nicht bereit?

  • V
    vulkansturm

    Wenn man es schon hinnimmt, dass Assad seine eigene Bevölkerung bombardiert, so ist es aber absolut nicht möglich zu tolerieren, wenn diese Bombardements so nahe an der Grenze stattfinden, dass im Natoland Türkei Menschen verletzt oder getötet werden.

    Auch weiß man nicht, wozu Assad in einer aussichtlosen Lage fähig ist, Scudraketen mit Giftgas auf türkische Großstädte kann man micht ausschliessen. Assad hat zur Genüge bewiesen, dass er keinerlei moralische Skrupel hat und zu allem fähig ist.

    Aber sicher, türkische Soldaten können ruhig für die Nato in Afghanistan sterben, aber wenn die türkische Zivilbevölkerung an der syrischen Grenze bedroht ist,dann drückt man sich um seine Beistandspflichten.

  • KR
    Karl Racho

    Warum will den eine Provinz der Niederlande Raketen in der Türkei stationieren. Werden dann etwa Zeeland und Utrecht nachziehen? Was macht Limburg? Spannende Fragen kommen hier auf!