Trumps „Big Beautiful Bill“: Große wunderbare Debatte um Steuergesetz
Das Repräsentantenhaus bringt Trumps „Big Beautiful Bill“ auf die Zielgerade. Fast alle Republikaner werden wohl zustimmen – wenn auch widerwillig.

Die republikanischen Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus stehen kurz davor, Präsident Donald Trump seinen bisher wichtigsten politischen Erfolg zu liefern. Nach einer schlaflosen Nacht stimmten fast alle Republikaner dafür, noch im Verlauf des Donnerstags über ein massives Ausgaben- und Steuergesetz zu entscheiden. Das Gesetz liefert die Grundlage zur Umsetzung von Trumps innenpolitischer Agenda. Mit 219 zu 212 Stimmen wurde das Gesetzespaket in den frühen Morgenstunden im US-Kongress auf die Zielgerade geschickt.
Es wurde vermutet, dass alle Demokraten und ein Republikaner gegen das Gesetzespaket stimmen würden, welches von Trumps als „Big Beautiful Bill“ bezeichnet wird. Für die republikanische Führung im Kongress war es so oder so eine anstrengende Nacht: Stunden der Verhandlungen und Vieraugengespräche sollten skeptische Republikaner überzeugen.
Die Pro-forma-Wahl, die das Gesetz vor der finalen Abstimmung überwinden musste, wurde zur Zitterpartie. Mehr als sechs Stunden benötigten Republikaner schlussendlich, um nötige Stimmen zusammenzubringen. Mehrere Abgeordnete, die zunächst gegen das Gesetz gestimmt hatte, änderten ihre Haltung im Laufe der Nacht, um das Gesetz nicht zu blockieren.
„Wir werden unsere Frist vom 4. Juli einhalten“, sagte der republikanische Vorsitzende im Repräsentantenhaus, Mike Johnson, mitten in der Nacht erleichtert. Es bedurfte mehrerer Gesprächsrunden hinter verschlossenen Türen, um dies zu bewerkstelligen.
Präsident Trump zeigte sich zunächst wenig begeistert über die Verzögerung. In einem Post auf seinem Social-Media-Netzwerk Truth Social schrieb er: „Worauf warten die Republikaner? Was wollen sie beweisen?!“ Er warnte die republikanischen Abgeordneten auch vor möglichen politischen Konsequenzen. Er sagte, dass die Maga-Bewegung nicht glücklich sei über die Verzögerung und dass dies Stimmen kosten werde bei den nächsten Wahlen.
Wenig später schrieb er: „Für die Republikaner sollte dies eine einfache Ja-Stimme sein. Lächerlich.“ Ob es der Druck aus dem Weißen Haus war oder ob die republikanische Führung andere Versprechen machte, um die nötigen Stimmen zu gewinnen, ist nicht bekannt.
Wie schon im Senat, wo es Vizepräsident JD Vance brauchte, um ein 50-50-Patt für Trumps Steuergesetz zu brechen, stand auch der Ausgang im Repräsentantenhaus lange auf Messers Schneide. Die Auswirkungen des Gesetzes auf die Staatsverschuldung und das staatliche Krankenversicherungsprogramm Medicaid stießen bei mehreren republikanischen Abgeordneten auf Gegenwehr.
„Der ‚Big Beautiful Bill‘ ist ein fiskalischer Selbstmordpakt zwischen dem Weißen Haus und den Republikanern im Kongress. Die Zahlen lügen nicht“, sagte der republikanische Abgeordnete Thomas Massie bereits vergangene Woche. Massie war einer von drei Republikanern, der im Verlauf der Nacht seine Stimme von Nein auf Ja änderte.
Das Repräsentantenhaus stimmte bereits im Mai über eine frühere Version des Gesetzestextes ab. Bereits damals war es äußerst knapp, am Ende war eine einzige Stimme das Zünglein an der Waage. Nachdem das Gesetz im Senat mehrere Veränderungen durchlaufen hat, muss nun auch das Repräsentantenhaus der veränderten Version zustimmen.
Trotz der Veränderungen enthält das Gesetz neben Steuersenkungen auch weiterhin Milliarden zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung, für die Grenzsicherung sowie einschneidende Kürzungen bei Medicaid. Das Krankenversicherungsprogramm gehört zu den wichtigsten Sozialprogrammen in den USA und richtet sich vor allem an einkommensschwache Menschen.
Angst vor wachsender Staatsverschuldung
Unter dem demokratischen Ex-Präsidenten Barack Obama wurde der Zugang zu dem Programm drastisch erweitert. Viele Politiker kritisieren auch daher die im Gesetzestext enthaltenden Kürzungen. Doch das entscheidende Thema im Repräsentantenhaus war die wachsende Staatsverschuldung.
Das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) veröffentlichte am Sonntagvormittag zudem eine neue Analyse zum Gesetz. Diese besagt, dass das Gesetz in seiner aktuellen Form über die kommenden zehn Jahre 3,3 Billionen Dollar zur US-Staatsverschuldung beitragen würde. Laut der CBO-Untersuchung würden die Einnahmen um schätzungsweise 4,5 Billionen Dollar zurückgehen. Gleichzeitig würden die Ausgaben um 1,2 Billionen Dollar gesenkt werden. Hinzu kommt, dass 11,8 Millionen Amerikaner bis 2034 ihre Krankenversicherung verlieren würden, sollte das Gesetz verabschiedet werden.
Der texanische Abgeordnete Keith Self beklagte ebenfalls die wachsende Staatsverschuldung. „Der Senat hat uns im Stich gelassen. Seine Version des ‚Big Beautiful Bill‘ erhöht unser Defizit, stürzt unser Land in weitere Schulden und macht die konservativen Erfolge des Repräsentantenhauses zunichte. Ich unterstütze Präsident Trump, aber dieser Gesetzesentwurf ist nicht akzeptabel“, schrieb er auf X.
Der Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, beklagte sich im Anschluss über seine republikanischen Kollegen. Diese würden mit ihren Kürzungen zu den staatlichen Gesundheits- und Vorsorgeprogrammen zum Tod von Mitbürgern beitragen.
„Menschen werden sterben! Zehntausende! Jahr für Jahr! … Dieses [Gesetz] ist ein Tatort!“, sagte Jeffries, der bei Redaktionsschluss bereits für mehr als fünf Stunden am Rednerpult stand.
Wann genau es zur finalen Abstimmung kommen wird, ist nicht klar. Doch es wird damit gerechnet, dass Republikaner das Gesetz letztendlich verabschieden werden und Trump es am Freitag offiziell unterschreiben kann.
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