Trumps Angst-Strategie: Biden in Bedrängnis
Trump schiebt die Unruhen den Demokrat*innen in die Schuhe. Sein Herausforderer Biden antwortet mit gemäßigten Tönen. Damit überzeugt er niemanden.
W as US-Präsident Donald Trump derzeit in der Krise um Polizeigewalt und Rassismus vollführt, ist kaltes Kalkül. Zwei Monate vor der Wahl glaubt Trump, die Lösung für seine Wiederwahl gefunden zu haben: die Angst vor Chaos und Plünderungen, die er den Demokrat*innen in die Schuhe schiebt. Denn die seien Linksradikale und wollten die USA ins Chaos stürzen, wie man jetzt schon am frei drehenden Mob in den von ihnen regierten Städten sehen könne.
Das Manöver ist so simpel wie durchschaubar, aber erstaunlich effektiv. Schon liegt in den Umfragen die Gewalt in den Städten auf Platz 5 der Sorgen der Bürger*innen – und Herausforderer Joe Biden, obwohl weder links noch radikal, sieht sich genötigt, jegliche Gewalt zu verurteilen. Und dabei kann er nur verlieren. Trump wird nicht aufhören, ihn zu verleumden.
Aber wenn Biden wie am Montag sagt: „Unruhe stiften ist kein Protest“, dann wissen zu viele, die seit Jahrzehnten die Auseinandersetzungen über rassistische Polizeigewalt verfolgen, dass das einfach nicht stimmt. Wer würde heute noch den Namen Rodney King kennen, wenn nicht nach dem skandalösen Freispruch der Polizisten, die ihn zusammengeschlagen hatten, im Jahr 1992 tagelang Los Angeles gebrannt hätte?
Und wäre Black Lives Matter je ernst genommen worden, wenn nach dem Tod von Eric Garner, Trayvon Martin, Freddie Gray, Tony Robinson, Walter Scott, Tamir Rice, Breonna Taylor, George Floyd und all den anderen stets nur ein paar Menschen Blumen niedergelegt hätten und zum Abendbrot nach Hause gegangen wären?
Gewalt ist verabscheuungswürdig, aber gerade in einem so strukturell gewalttätigen Land wie den USA ist es verlogen, sie ausgerechnet bei den Protestierenden anzuklagen. Joe Biden weiß das, kann es aber nicht sagen. Er muss die Causa der Proteste gutheißen, ihre Formen aber verurteilen. Im Ergebnis überzeugt er niemanden.
Und je mehr er sich von Trump – der gar nicht daran denkt, sich von der Gewalt seiner eigenen Anhänger*innen zu distanzieren – vor sich hertreiben lässt, desto hilf- und planloser wirkt er. Und desto eher läuft er Gefahr, dass wie 2016 jener linke Flügel nicht zur Wahlurne geht, der ihn ohnehin nie als Kandidaten wollte. Ohne den aber kann er nicht gewinnen.
Trumps Kalkül geht auf. Nicht sein fatales Coronamanagement ist das Thema, sondern die Riots in den Städten. Und nicht er steht unter Druck, sondern sein Gegner. Auf der Strecke bleibt eine Gesellschaft, die sich immer mehr gegenseitig bekriegt und Trump noch lauter nach „Law and Order“ rufen lässt. Es ist perfide. Aber es funktioniert.
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