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Trumps Angst-StrategieBiden in Bedrängnis

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Trump schiebt die Unruhen den Demokrat*innen in die Schuhe. Sein Herausforderer Biden antwortet mit gemäßigten Tönen. Damit überzeugt er niemanden.

Sieht so ein Linksradikaler aus? Für Trump schon. Sein Herausforderer Biden – auch noch vermummt Foto: Carolyn Kaster/ap

W as US-Präsident Donald Trump derzeit in der Krise um Polizeigewalt und Rassismus vollführt, ist kaltes Kalkül. Zwei Monate vor der Wahl glaubt Trump, die Lösung für seine Wiederwahl gefunden zu haben: die Angst vor Chaos und Plünderungen, die er den Demo­kra­t*innen in die Schuhe schiebt. Denn die seien Linksradikale und wollten die USA ins Chaos stürzen, wie man jetzt schon am frei drehenden Mob in den von ihnen regierten Städten sehen könne.

Das Manöver ist so simpel wie durchschaubar, aber erstaunlich effektiv. Schon liegt in den Umfragen die Gewalt in den Städten auf Platz 5 der Sorgen der Bürger*innen – und Herausforderer Joe Biden, obwohl weder links noch radikal, sieht sich genötigt, jegliche Gewalt zu verurteilen. Und dabei kann er nur verlieren. Trump wird nicht aufhören, ihn zu verleumden.

Aber wenn Biden wie am Montag sagt: „Unruhe stiften ist kein Protest“, dann wissen zu viele, die seit Jahrzehnten die Auseinandersetzungen über rassistische Polizeigewalt verfolgen, dass das einfach nicht stimmt. Wer würde heute noch den Namen Rodney King kennen, wenn nicht nach dem skandalösen Freispruch der Polizisten, die ihn zusammengeschlagen hatten, im Jahr 1992 tagelang Los Angeles gebrannt hätte?

Und wäre Black Lives Matter je ernst genommen worden, wenn nach dem Tod von Eric Garner, Trayvon Martin, Freddie Gray, Tony Robinson, Walter Scott, Tamir Rice, Breonna Taylor, George Floyd und all den anderen stets nur ein paar Menschen Blumen niedergelegt hätten und zum Abendbrot nach Hause gegangen wären?

Gewalt ist verabscheuungswürdig, aber gerade in einem so strukturell gewalttätigen Land wie den USA ist es verlogen, sie ausgerechnet bei den Protestierenden anzuklagen. Joe Biden weiß das, kann es aber nicht sagen. Er muss die Causa der Proteste gutheißen, ihre Formen aber verurteilen. Im Ergebnis überzeugt er niemanden.

Und je mehr er sich von Trump – der gar nicht daran denkt, sich von der Gewalt seiner eigenen An­hän­ger*innen zu distanzieren – vor sich hertreiben lässt, desto hilf- und planloser wirkt er. Und desto eher läuft er Gefahr, dass wie 2016 jener linke Flügel nicht zur Wahlurne geht, der ihn ohnehin nie als Kandidaten wollte. Ohne den aber kann er nicht gewinnen.

Trumps Kalkül geht auf. Nicht sein fatales Coronamanagement ist das Thema, sondern die Riots in den Städten. Und nicht er steht unter Druck, sondern sein Gegner. Auf der Strecke bleibt eine Gesellschaft, die sich immer mehr gegenseitig bekriegt und Trump noch lauter nach „Law and Order“ rufen lässt. Es ist perfide. Aber es funktioniert.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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4 Kommentare

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  • Die einzige Chance von Biden ist, dass so viele ihn wählen gehen, um Trump los zu werden. Ansonsten nur Gewäsch. Frauen, Schwarze vorzeigen... alles nur Wahlkampf.

  • "Trumps Kalkül geht auf. Nicht sein fatales Coronamanagement ist das Thema, sondern die Riots in den Städten." (B. Pickert)



    Das ist perfide, funktioniert aber - und zwar zu Gunsten Trumps. Welchen Schluß sollten wir, bzw. BLM, daraus ziehen? Auf den Protest in den Straßen verzichten?



    Was BLM offenbar fehlt sind charismatische Leader-Persönlichkeiten wie Martin Luther-King und deren konsequent gewaltfreie Strategie. Solche scheinen nicht vorhanden zu sein.



    Gewaltfreiheit ist in einer strukturelle gewalttätigen Gesellschaft ein schwieriges Unterfangen. Aber wer hat denn gesagt, dass der Weg in eine bessere Zukunft ein leichter wäre?

    • @LittleRedRooster:

      Ich wünschte mir, dass die Forderung nach Gewaltfreiheit nicht nur an diskriminierte Minderheiten gestellt wird, sondern an alle Staaten, die momentan Konfliktlösung als militärisches Thema betrachten oder als Sanktionsthema. Wir erleben momentan die beständige Abkehr von zivilisierten Auseinandersetzungen.

      Was BLM betrifft, so werden auch sie die Erfahrung machen müssen, dass sich strukturell nichts ändern wird in einer Gesellschaft, die ohne Diskriminierung offensichtlich nicht funktioniert.

      Und wenn ein Protest groß, stark und friedlich ist, dann kommt der Einsatz der Agent Provocateurs, um die Voraussetzung für eine gewaltsame Niederschlagung zu schaffen.

      • @Rolf B.:

        "Ich wünschte mir, dass die Forderung nach Gewaltfreiheit nicht nur an diskriminierte Minderheiten gestellt wird, (...)" (Rolf B.)



        Ich stelle keine "Forderungen" an BLM/USA, weil ich von denen nichts einzufordern habe. Die werden ohnehin ihren eigenen Weg gehen. Ich bin da nicht mehr als nur ein Zaungast.



        Aber Wünsche darf ich haben - und die habe ich auch. Ich wünsche der neuen Bewegung der Schwarzen in den USA verdammt viel Ausdauer und Kraft - die Kraft, die es braucht seinen Weg unbeirrt und friedfertig zu gehen. Eine Option zur Gewalt stellt sich nicht, weil dies bei den bestehenden Kräfteverhältnissen die Option zum Untergang wäre.