Trump im Wahlkampf: B’more und die Ratten
Donald Trumps Baltimore-Tweets zielen auf die Wähler Marylands. Er heizt die Spannungen in der Bevölkerung noch weiter an.
„B’more next station“ verkünden die Schaffner in den Zügen zwischen New York und Washington. Baltimore wird abgekürzt, „B’more“ klingt verheißungsvoller: Obwohl die Stadt mit mehr als 600.000 Einwohnern einen großen Hafen hat und eine berühmte Universität, gehört sie in der Wahrnehmung der durchgehend besiedelten Region an der US-Ostküste zwischen Boston und der Bundeshauptstadt zu den wenig genannten Orten.
Das weiß Donald Trump, der die Einwohner Baltimores in einer seiner infamen Twitter-Botschaften kürzlich pauschal beleidigt hat. Es sei Zeit, den „gefährlichen und dreckigen Ort“ aufzuräumen, dort befinde sich in einem Bezirk „ein ekelerregender, von Ratten verseuchter Saustall“. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ist dort Immobilienbesitzer, dessen Firma hat 6.000 Wohnungen. Sie ist ins Gerede gekommen, weil sie auf Beschwerden der Mieter nur unzureichend reagiert hat.
Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung von Baltimore sind AfroamerikanerInnen. Einer der bekanntesten ist der Dancefloor-Produzent Sean Spencer, den alle DJ Spen nennen. „Das sind hanebüchene Bemerkungen, die Trump über Baltimore gemacht hat, sie entsprechen keineswegs der Wahrheit“, erklärt Spen der taz. „Trumps unsinnige Einlassungen werden uns EinwohnerInnen weiter zusammenschweißen.“ Um zu unterstreichen, wie divers Baltimore ist, zählt DJ Spen Persönlichkeiten auf, die die Stadt hervorgebracht hat: „Cab Calloway, Jada Pinkett Smith und Toni Braxton, KünstlerInnen, die der Welt etwas gegeben haben und es noch immer tun.“
Baltimore gehört zum Bundesstaat Maryland, dem man schon die Nähe zur Südstaatenmentalität anmerkt. Da Trump den Wahlkampf eingeläutet hat, zielt seine Äußerung auf die Bewohner der ländlichen Gebiete, deren WählerInnen er für sich gewinnen möchte. Die Mehrheit der Weißen in Maryland ist hauchdünn, 50,5 Prozent zu 49,5 Prozent.
Für mediale Aufmerksamkeit hatte bereits die Crime-Serie „The Wire“ gesorgt. In ihrer fiktionalen Darstellung der Stadt als Hochburg von Rassismus und Gewalt steckt ein Stück Realität. Das bestätigt DJ Spen: „Ich bin hier aufgewachsen und kenne solche Szenen aus eigener Anschauung, darum will ich mir das nicht noch mal im Fernsehen anschauen.
Aber Baltimore hat auch schöne Seiten: Die Musikszene im Viertel Federall Hill oder das Reginald F. Lewis Museum für afroamerikanische Geschichte. Klar, es gibt in Baltimore Probleme. Aber mehr Ratten als anderswo an der Ostküste haben wir jedenfalls nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen