Trouble um G20 in Hamburg: Opposition bepöbelt Senator
Der Senat will die Versammlungsfreiheit während des Gipfeltreffens garantieren, im Rathaus hagelt es dafür Schuldzuweisungen, sollte die Großdemo entgleisen.
Anlass der Aktuellen Stunde im Parlament war die Idee der Polizei, fast die gesamte Innenstadt zu einer demonstrationsfreien Zone zu erklären. Im Fokus der Kritik von rechts, mal wieder: Justizsenator Till Steffen (Grüne), der am Dienstag in Bezug auf die geplante Großdemo gegen den Gipfel erklärt hatte: „Wir sind uns im Senat einig: Es wird keine Demonstrationsverbotszone geben.“ Damit korrigierte der grüne Senator nach Auffassung der CDU die Linie der Polizei eigenmächtig.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) regierte empört. Joachim Lenders, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter und Hamburgs Chef der Polizeigewerkschaft warf Steffen vor: „Mit dieser Entscheidung, Demonstrationen jedweder Art und Größe in der Hamburger City während des G20-Gipfels zuzulassen, maßregelt der Senat die Polizei und lädt Linksterroristen geradezu ein, die Stadt auseinanderzunehmen“ Lenders schob Steffen die politische Verantwortung zu „wenn der G20-Gipfel so endet, wie der G8-Gipfel 2001 in Genua mit hunderten Verletzten und einem Toten.“ Diese Verbalattacke wurde von SPD-Fraktionchef Andreas Dressel heftig kritisiert. Er warf Lenders vor, mit seinen Gewaltszenarien zur Eskalation beizutragen.
„Herr Lenders redet dieses Szenario herbei, er muss immer wieder draufhauen, statt sich einmal besonnen zu verhalten“, sagte auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller. Der FDP-Fachsprecher für Inneres, Carl Jarchow mahnte die CDU zur verbalen Abrüstung: „In der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Stadt würde in Schutt und Asche gelegt, ist Unsinn.“
Zulauf: Zur Hauptkundgebung gegen den G20-Gipfel am 8. Juli werden rund 100.000 TeilnehmerInnen erwartet.
Auflauf: Die Linke, Mitanmelderin der Demo, fordert die Abschlusskundgebung der Demo auf dem Heiligengeistfeld zuzulassen.
Ablauf: Rot-Grün hat zugesichert, Demonstrationen nicht an den Stadtrand zu verbannen. Allerdings könne aus Sicherheitsgründen auch nicht jede Demoroute genehmigt werden.
Auch CDU-Innenexperte Dennis Gladiator beschuldigte Steffen, mit seinem Verbotszonen-Vorstoß, „der Polizei in den Rücken zu fallen“, sie dabei zu behindern, „die Stadt vor linksextremen Gewalttätern zu schützen“ und somit „ein Sicherheitsrisiko für die Stadt zu sein“. Durch seine „Einladung an gewaltbereite Störer“ sei der Justizsenator nun dafür „verantwortlich“, wenn die Demonstration entgleise.
Rot-Grün teilte in Richtung Lenders, aber auch gegen die Linken aus, denen sie vorwarf, sich von Gewaltaufrufen in Bezug auf die Demo zu halbherzig zu distanzieren. Die Antwort auf die Frage, ob es zwischen Polizei und Innenbehörde auf der einen, sowie Steffen auf der anderen Seite unterschiedliche Auffassungen über die Sicherheitskonzepte beim G20-Gipfel gäbe, beantworteten hingegen weder der Justizsenator noch die Redner der Koalition. Sie hielten stattdessen pauschale Vorträge über die Balance zwischen Versammlungsfreiheit und Sicherheitserfordernissen.
Die Linken forderten den Senat auf, die Abschlusskundgebung auf dem Heiligengeistfeld zuzulassen. Doch die Frage, wo die Abschlusskundgebung der Großdemo, zu der rund 100.000 Menschen erwartet werden, in der Nähe des Gipfels stattfinden könne, wenn nicht auf dem Heiligengeistfeld, blieben die Koalitionäre schuldig. Innensenator Andy Grote und Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD) waren gar nicht erst zur Debatte erschienen – Urlaub und wichtige Termine gingen vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker