Trotz „sicheren Herkunftsstaats“: Roma-Verfolgung anerkannt
Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat einer Romni aus Mazedonien den Flüchtlingsstatus zuerkannt. Sie wurde als Aktivistin politisch verfolgt.
Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat einer Romni aus Mazedonien den Flüchtlingsstatus zuerkannt. In Mazedonien drohe ihr aufgrund ihrer Tätigkeit für eine Roma-Organisation „politische Verfolgung“, heißt es in dem Urteil (AZ: 6 A 32/15). Und: „Die Verfolgungshandlungen gehen von der Polizei aus.“ Entsprechend sei die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufzuheben, das 2013 den Asylantrag der Frau ablehnte und ihr die Abschiebung androhte.
Mazedonien steht mit Serbien und Bosnien-Herzegowina seit Ende 2014 auf jener Liste „sicherer Herkunftsstaaten“, die Ende dieser Woche durch Bundestag und Bundesrat um Albanien, Kosovo und Montenegro erweitert werden soll. Organisationen wie Pro Asyl kritisieren dies als eine Aushöhlung des individuellen Rechts auf Asyl.
Noch ist das Urteil aus Oldenburg nicht rechtskräftig, aber die Ausführungen des Gerichts, über das, was die Frau erlebte, lassen erahnen, dass Mazedonien für Roma nicht sicher ist – und bestätigen Einschätzungen, wie sie von Nicht-Regierungsorganisationen, aber auch etwa der Europäischen Kommission in ihrem Fortschrittsbericht vorgenommen werden: Die Frau hatte sich in Mazedonien mit einem Verein für die Rechte von Roma stark gemacht und staatliche Gewalt dokumentiert.
Malträtiert und geschlagen
Über Jahre sei sie deshalb von der Polizei malträtiert worden, unter anderem seien das Büro des Vereins aufgebrochen und ihr Mann geschlagen worden. Die Polizei habe sogar mit einem unrechtmäßigen Akteneintrag verhindert, dass sie über das Arbeitsamt eine Stelle bekomme. „Man habe ihr gesagt, sie habe es nicht verdient, eine Arbeitsstelle zu finden“, heißt es in den Ausführungen des Gerichts.
Ende dieser Woche entscheiden Bundestag und Bundesrat, ob der Kosovo, Albanien und Montenegro als „sicher“ gelten sollen.
Die Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ entstand mit dem Asylkompromiss 1993.
Damit wird pauschal definiert, dass in diesen Staaten „weder politische Verfolgung noch unmenschliche Bestrafung“ stattfindet.
Seit November 2014 gelten Mazedonien, Serbien und Bosnien-Herzegowina als „sicher“, seit 1993 Senegal und Ghana.
Asylanträge aus diesen Ländern werden pauschal als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt.
Damit gilt eine Ausreisepflicht binnen einer Woche. Auch die Frist für eine Klage verkürzt sich auf eine Woche und hat keine aufschiebende Wirkung.
2011 dann wurde die Frau von PolizistInnen so schwer verprügelt, dass sie ihr ungeborenes Kind verlor. Die Polizei habe sie aufgefordert, bei der Parlamentswahl Stimmen aus der Roma-Community für die Partei von Regierungschef Nikola Gruevski zu „sammeln“, wessen sie sich verweigerte. Es ist die Schilderung eines vermutlichen Wahlbetrugs, der seit Monaten für eine politische Krise im Land sorgt.
Das Verwaltungsgericht Oldenburg hielt die Beschreibungen der Frau für „schlüssig und glaubhaft“. Der Sprecher des Gericht erklärte, die Regelung zu „sicheren Herkunftsstaaten“ lasse offen, ob „abweichend von der allgemeinen politischen Lage“ Verfolgung drohe. „Das Vorbringen der Klägerin ist ein Vorbringen im Einzelfall.“
Kein Einzelfall, sagt der Anwalt
Der Anwalt der Frau, Henning Bahr, sieht das anders: „Wenn die Gerichte bei angeblich sicheren Herkunftsstaaten wie Mazedonien Schutz zuerkennen, ist die Einschätzung des Gesetzgebers, dass es dort ungefährlich ist, sehr zweifelhaft“, erklärte er. „Auch in diesen Staaten gibt es immer wieder asylrelevante Verfolgung.“
Das sagt auch Marc Millies vom Bremer Flüchtlingsrat, der im Frühjahr 2015 selbst in Mazedonien recherchierte: „Das Urteil beweist, was ich mit einer Recherchegruppe selbst dokumentiert habe: dass es Übergriffe gegen Roma gibt und Schutz notwendig ist.“ Millies verweist auf die Schwierigkeiten vieler Roma, Übergriffe und Diskriminierungen belegen zu können. „Oft drängt die Polizei Roma dazu, Anzeigen zurückzunehmen – wenn sie überhaupt kommt oder nicht sogar selbst das Problem ist.“
Gleichzeitig zeige die Entscheidung, dass das Recht auf Asyl individuell geprüft werden müsse. Oberflächliche Prüfungen für bestimmte Herkunftsländer dürfe es nicht geben.
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