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Trinkwasser-Mangel im GazastreifenAm Wasserhahn vergiftet

Ohne Chlor ist das Leitungswasser ungenießbar. Die Kläranlagen reichen nicht aus, eine Entsalzungsanlage fehlt. Immer wieder gibt es Vergiftungsfälle bei Kindern.

"Zum Trinken nicht geeignet": Ein Junge in "Islamischer Jihad" Demo-Tracht trinkt im südlichen Gaza-Streifen Wasser aus einem öffentlichen Wasserhahn. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Nabil Barkoune gibt sich souverän. "Es ist alles unter Kontrolle", kommentiert der Chef des öffentlichen Kinderkrankenhauses in Gaza fünf Vergiftungsfälle junger Patienten in seiner Einrichtung. Die Kinder hatten das ungereinigte Wasser aus dem Hahn getrunken und waren erkrankt.

Ohne die Zugabe von Chlor ist das Wasser im Gazastreifen ungenießbar. "Wir verfügen in unserem Krankenhaus nicht über die nötigen Anlagen, um das Wasser zu reinigen", erklärt Barkoune und verspricht, das zu ändern, damit seine kleinen Patienten fortan nur noch sauberes Wasser zu trinken bekommen.

Die Behörden geben ungern zu, dass es überhaupt ein Problem gibt. "Wir sind doch nicht in Somalia", sagt ein Beamter im Hamas-Gesundheitsministerium kopfschüttelnd und streitet ab, dass das Wasser im Gazastreifen gesundheitsgefährdend sein könnte.

Etwas anders sieht das Ahmad al-Yaqoubi, Abteilungsleiter der Wasserbehörde im Gazastreifen, die bis heute von der Palästinensischen Autonomiebehörde finanziert wird. "95 Prozent des Wassers ist zum Trinken nicht geeignet", sagt al-Yaqoubi. Am verbreitetsten bei hoher Nitratkonzentration im Grundwasser sei das "Blue-Baby-Syndrom", ein Sauerstoffmangel vor allem bei Neugeborenen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) legt die Werte von Chlorid auf 250 Milligramm pro Liter fest, im Gazastreifen enthält das Wasser die doppelte bis vierfache Menge. Bei den Nitratwerten sieht es nicht viel besser aus. "Das Wasser ist so schwer belastet, dass es nur durch Zugabe von Chlor überhaupt getrunken werden kann", sagt al-Yaqoubi.

Grund für die Misere ist die unfreiwillige Misswirtschaft, die wiederum Folge der dramatischen Überbevölkerung ist. Bei 1,6 Millionen Menschen, die auf ganzen 365 Quadratkilometern Land leben, sind die Wasserressourcen begrenzt. Die mit Abstand größte Frischwasserquelle ist der Grundwasserleiter im Küstenbereich.

Bei Entnahme von bis zu 60 Millionen Kubikmetern Wasser pro Jahr könnte sich der Grundwasserträger auf natürliche Weise regenerieren. "Wir pumpen 170 Millionen Kubikmeter ab", sagt al-Yaqoubi. "Damit haben wir ein Defizit von über 100 Millionen Kubikmetern jedes Jahr." Die Folgen sind ein absinkender Wasserstand und das Eindringen von Seewasser in den Grundwasserträger.

Unzureichend sind auch die Kapazitäten von Kläranlagen. Marc Engelhardt, Chef der KfW-Entwicklungsbank in den Palästinensergebieten, die mit Geldern des Bundesministeriums für Entwicklung Abwasserprojekte im Gazastreifen finanziert, veranschlagt, dass "täglich zehntausende Kubikmeter Abwasser ungeklärt ins Mittelmeer fließen". Davon werde auch das Grundwasser schwer belastet.

Schon jetzt habe die marode Wasserqualität vor allem den Zitrusfrüchten stark zugesetzt, wohingegen "Olivenbäume den hohen Nitratgehalt im Wasser verkraften können". Die einzige Hoffnung, die al-Yaqoubi hat, sind Entsalzungsanlagen, um zunächst wenigstens die Trinkwasserversorgung sicherzustellen.

Er selbst kauft für seine Familie täglich 70 Liter Wasser, "das über mehr oder weniger gute Qualität verfügt", von einem der mehreren Dutzend kleinen privaten Entsalzungsunternehmen und zahlt dafür umgerechnet 20 Cent. "Die Leute hier denken, dass, wenn das Wasser klar ist und gut schmeckt, alles in Ordnung ist. Leider fehlen oft wichtige Mineralien wie Eisen, Kalzium und Magnesium."

Schon vor der Machtübernahme des Gazastreifens durch die Hamas war eine Entsalzungsanlage in einer Größenordnung geplant, mit der die gesamte Bevölkerung hätte versorgt werden können. Die palästinensische Führung erwarb ein passendes Grundstück in unmittelbarer Meeresnähe, und die US-Regierung investierte 100 Millionen Dollar in eine Machbarkeitsstudie, nur um das Projekt dann aufgrund der politischen Entwicklungen doch wieder auf Eis zu legen. Nach Ansicht des Wasserexperten drängt die Zeit. "Wenn hier nicht bald etwas passiert", warnt al-Yaqoubi, "dann kippt der Grundwasserleiter um und wäre nie wieder zu regenerieren."

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5 Kommentare

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  • S
    sophie

    kriegen die hamas-idioten es nicht auf die reihe mit den abermillionen der eu und der vereinigten staaten n wasserwerk zu bauen? ah nee - die brauchen sie ja um un-kinderferienlager im norden von gaza (wo es lecker wasser gab) abzubrennen.

     

    ich kanns nicht mehr hören. israel is immer an allem schuldig. demnächst auch daran, dass nicht fundamentalisten in gaza von der "demokratisch gewählten" hamas exekutiert werden.

  • S
    Stefan

    Fakt ist, dass es für die Hamas wichtigere Sachen gibt als sauberes Wasser für die Bevölkerung: die Vernichtung Israels! Die Bevölkerung teilt deren Schwerpunkte wohl, sonst wäre die Hamas nicht demokratisch gewählt worden.

  • O
    ole

    @rostschnauze

     

    Außer der USA gibt es noch andere 198 Staaten, denen Sie ihr Wasser schicken können. Aber das wäre wohl zu kompliziert.

     

    Ich rate Ihnen, schicken Sie es einfach der Hamas. Damit liegen Sie immer richtig.

  • S
    Selbsthilfe

    Die Versorgung mit gechlortem Trinkwasser ist (leider) Realität in den meisten Staaten dieser Erde, unter anderem auch in den USA. In dieser Hinsicht ist Deutschland, wo nur in seltenen Fällen gechlort werden muss, die rühmliche Ausnahme und Gaza ist die Normalität, wenn überhaupt genügend Chlorlösung vorhanden ist.

    Leider wird seit Jahrzehnten viel zu viel Wasser aus dem Grundwasserleiter entnommen, sowohl von Israel als auch im gazastreifen. Ein komplexes Problem mit sehr vielen Facetten. Neben einer politischen Übereinkunft wäre vor allem eine Reduzierung der Wasserverluste im Verteilungsnetz in Gaza ein Instrument zur nachhaltigen Versorgung mit Trinkwasser. Im übrigen sind die sog. privaten Entsalzungsanlagen Resultat von Förderinvestitionen der EU und sollten somit allen Bewohnern zur Verfügung gestellt werden.

  • R
    rostschnauze

    Soweit ich informiert bin gehört das Recht auf sauberes Trinkwasser inzwischen zu den Menschenrechten!

     

    Wenn ich dann lese, dass die USA auf Grund der politischen Lage im Gazastreifen die Bemühungen eine Entsalzungsanlage zu bauen eingestellt haben, würde ich am liebsten diesen Entscheidungsträgern 5 Liter des überchlorierten und "versalzenen" Wassers von dort eintrichtern - und zwar täglich.

     

    Nix für unguad!